StartAlbum der WocheCoup - Der Holland Job (Kritik)

Coup – Der Holland Job (Kritik)

Verkrampfte Scheiße: So lassen sich in der Regel Gipfeltreffen der Marke „Der Holland Job“ zusammenfassen. Gemessen an Erwartungen, die das Publikum in der Vergangenheit etwa an „23“ oder „Cla$$ic“ stellte, ist dieses Fazit kaum verwunderlich, erwarten die Massen doch anlässlich solcher Kollaborationen nicht nur, dass sich die einzelnen Teile ergänzen, sondern mindestens addieren, wenn nicht sogar das alleinige Werk jedes Mitwirkenden weit übersteigen. Aber wie oft passiert ein derart massiver Synergie-Effekt denn wirklich? Genau.

Man fragt sich natürlich schon, ob die Leute hinter Coup diese über lange Zeit erworbene Erkenntnis während der Konzeption ihres Projekts im Hinterkopf hatten. Nervige Promostunts sowie die vollmundige Akündigung, einen Kurzfilm auf Hollywood-Niveau produziert zu haben, legten vorab gegenteilige Annahmen nahe, die das Album selbst nun glücklicherweise relativiert. Ein aufgesetztes Konzept gibt es ebenso wenig wie überlüssigen Pomp; selbst in Sachen Größenwahn bleiben Haftbefehl und Xatar im – natürlich üppigen – Rahmen des Genres, dem das Projekt verpflichtet ist. „Der Holland Job“ bietet überraschend gradlinigen Gangster-Rap, mit knackigen Beats, wilden, aber sortierten Parts und schmalen Tracks, die nie die Vier-Minuten-Marke überschreiten.

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Frei von der Pflicht, einen die Jahrzehnte überdauernden, alles neu definierenden Klassiker abzuliefern, gelingt beiden Akteuren eine Begegnung auf Augenhöhe, die von den jeweiligen zwar verwandten, doch im Detail durchaus unterschiedlichen Klangentwürfen lebt. Xatars schachtelig-weltmännischer Pinguin-Flow und sein Boom Bap inspirierter Sound sorgen immer dann für Kontraste, wenn Haftbefehl wirres Gebell mitsamt modernen, an Trap geschulten Beats Überhand nehmen. Gerade zu Beginn weiß dieses Wechselspiel zu unterhalten, mit Songs, die oft auch einfach nur bollern wollen. „Ich zahle gar nix“ funktioniert da etwa mit einem polternden, schrillen Beat, der Haftbefehls halsbrecherischer Hook erst die nötige Portion Wahnwitz verleiht und dafür sorgt, dass „Der Holland Job“ bei aller Unterhaltsamkeit nie zu sehr abflacht oder gar langweilig wird.

Dank dieser hervorragenden Puzzle-Arbeit fällt auch das Fehlen großer Features nicht ins Gewicht; lediglich für drei Hooks sicherten sich Coup Gäste, von denen besonders die Verpflichtung der formidablen Haiyti für das zeitgemäß-verschleppte „Gib Geld“ einen entscheidenden Mehrwert bietet. So richtig zur Ruhe kommt die Platte jedoch erst während der drei letzten Songs, von denen die größte Überraschung wohl das in Bonnie & Clyde Romantik schwelgende „Sie killt für mich“ bietet. Vor allem Haftbefehl kehrt erneut seine merkwürdig unpeinliche, verletzliche Seite heraus, die bereits „Russisch Roulette“ auszeichnete und hier für einen seltsam ergreifenden Moment sorgt. Doch auch die Abschlusspointe „AFD“ ist gut gesetzt; zwar passiert hier keine fundierte Auseinandersetzung mit der Thematik, doch als bündiges Statement auf einem derart prominenten Album hat der Song unbedingt seine Berechtigung.

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Die Brücke zu diesem Punkt baut derweil die Joy Denalane Kollaboration „Lauf der Dinge“, die in ebenfalls bekannter Manier die Schattenseiten des Verbecherlebens beleuchtet. Das kennt man natürlich, ebenso wie die Protzereien aus „500“ oder den Gleichmut aus „Alles Kebap“, doch das schmälert die Klasse des Albums keineswegs. Eben durch die Beschränkung auf das Minimum vermeiden Haftbefehl und Xatar die übliche Künstlichkeit solcher Unterfangen, die Letzterer mit der Line „Wer hat euch gesagt, Gangster Rap muss nicht echt sein?“ auf ganz anderer Ebene hinterfragt.

„Der Holland Job“ mag zwar eine gewisse Kredibilität besitzen, doch die mitgelieferte Überzeichung relativiert diesen Aspekt ohnehin. Der wahre Coup an der Platte ist nicht krimineller Natur, sondern wird durch die geschickte Kombination ihrer Ressourcen erzielt, die gekonnt Kaschieren, dass hier letzten Endes auf hohem Niveau stagniert wird. Das hier ist keine Entwicklung, das ist die Selbstdarstellung zweier Rapper auf der Höhe ihres Schaffens, mit einer Attitüde, die an den Titel einer ungleich ambitionierteren Kollaboration erinnert: Watch The Throne.

7,8/10

„Der Holland Job“ erscheint am 12.08. via Four Music auf Platte, CD und digital.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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