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Album(s) der Woche(n): Kero Kero Bonito, Cat Power, Karies, Lance Butters, Cloud Nothings, Leoniden

Einige erinnern schon jetzt wehmütig an die Vergangenheit, andere granteln weiter an der Meme-sierung von Pop herum, aber lasst euch nichts erzählen: Mit „Time ’n‘ Place“ haben Kero Kero Bonito ein hervorragendes zweites Album vorgelegt, das die zuletzt gestreuten Rockkrumen fleißig aufsammelt, dabei aber auch der zuvor etablierten Internet-Bubblegum-Ästhetik treu bleibt und nebenbei an der Aussöhnung von Synth-Pop und Noise arbeitet. Dabei von einer Kehrtwende Richtung Alternative Rock zu sprechen, greift also zu kurz, denn selbst wenn das bereits zu Beginn des Jahres veröffentlichte „Only Acting“ einen mit dicker Gitarre auftrumpfenden Refrain mitbringt, „If I’d Known“ breitbeinig Funkrock imitiert und „Flyaway“ sich gar in die Nähe der Foo Fighters schleicht, sind damit noch nicht all die süßlichen Hooks, blubbernden Synthesizer und abstürzenden Sounds erfasst, die eben auch wichtiger Bestandteil einer Platte sind, die textlich zudem in wenig fröhliche Gefilde führt. Knackig, abwechslungsreich, genickbrechend. Der einzig machbare Poprock fürs Jahr 2018, Ende der Diskussion. (VÖ: 01.10.2018, via Kero Kero Bonito)

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Sechs Jahre nach dem glitzernden „Sun“ kommt Chan Marshall aka Cat Power mit einem Album vorbei, dessen Headlines (Lana del Rey! Autotune! Rihanna-Cover! Labelwechsel!) vor allem verraten, wie unaufgeregt die Musik darauf ist. Aus der Disco ist Marshall raus, stattdessen schlufft sie nun im Kaffeehaus herum, irgendwo zwischen Wohlgefallen und alter Folk-Tradition. Nimm dir einen Chai Latte und eine kratzige Decke, mach es dir gemütlich und hör zu, was dir diese Frau aus einem Amerika erzählt, das nicht mehr alt und mythisch ist, sondern auseinanderfällt und höchstens mit beherztem Empowerment zu retten ist. Im an-die-Hände-fassenden „Woman“ steht Lana del Rey dann auch angemessen dezent hinter der Botschaft, ebenso wie die Klavierpop-Aneignung von Rihannas „Stay“ in maximalem Gegensatz zum Emotionsblockbuster der Vorlage steht. Selbst der Autotune-Effekt, dass Marshall auf „Horizon“ auspackt, wirkt vor allem schlüssig, fügt sich einfach schön in die warme, aber feste, sichere Produktion ein. Die alten Anti-Folk-Tage, das Indiegeschraddel, die Scheinwerfer, all das ist vergessen. Der Ton ist so, wie es der in zwei Teile gesplittete, rahmende Titeltrack nahelegt: diffus sehnsüchtig, zuversichtlich, bescheiden. Wer das groß schreiben will, muss sich eben Details herauspicken, die zumindest auf dem Papier fett aussehen. (VÖ: 05.10.2018, via Domino)

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Karies waren zuletzt vor allem die Jungs, die bei dem heterogenen, maßgeblich von This Charming Man kuratierten, nicht selten von Stuttgart aus agierenden Indie-Rock-Post-Punk-Revival mit verschränkten Armen in der Ecke standen und alles irgendwie doof fanden. Alles musste folglich in Repetition erstickt und Krach ersoffen werden, was als Geste schon schön war, sich auf Platte aber schnell abnutzte. Dass sich „Alice“ nun an der Neuen Deutschen Welle, aber auch zeitgenössischem Pop und generell Musik mit Refrains orientiert, lockert die Pose auf und macht sie damit spannend, weil spielbar. Wiederholungen und Schleifen sind noch immer großes Thema dieser Band, aber eben nicht mehr Alibi, um sich sehr ähnliche Songs aneinanderzureihen. Die Mienen sind finster, gönnen sich aber auch Absurditäten wie „Pebbo“, die Hard-Boiled-Verfolgungsjagd „Nebenstraßen“ oder die zwischen Witz und Bedrohung changierende Autotune-Eskapade „1987“. „Alice“ verweigert sich, definiert sich aber nicht mehr exklusiv darüber. (VÖ: 12.10.2018, via This Charming Man)

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Lance Butters hat auf „30“, dem Abschlusstrack seines ersten Albums „Blaow“ sinngemäß verkündet, dass es ihm eigentlich ganz schön scheiße geht, er aber keinen Sinn darin sieht, ein Album mit privaten Problemen zu füllen. „Angst“, sein zweites Album, ist nun der Versuch, ein Album mit privaten Problemen zu füllen, ohne gleich Wortbruch zu begehen. Berechtigt scheinen die Lobeshymnen, die auf diesen Spagat gesungen werden, vor allem, wenn man sehr nahe an die Platte herangeht: Battlelines und triste mental-health-updates sind eng geknüpft, Butters Vortrag verdient sich seine ekelhafte Attitüde mit emotionalem Gegengewicht und die ausschließlich von Intimus Ahzumjot produzierten Beats erweisen sich als erstaunliche schlüssige Fortsetzung der Arbeit mit Bennett On. So atmosphärisch dicht all das ist, bisweilen hängen die Themen ein wenig arg im Loop, und geben damit den Blick frei auf das, was Butters als Kunstfigur mit diesem Album einbüßt: Die Fähigkeit, gerade mit spaßigen, aber auch ein bisschen plumpen Battletracks, unterschwellig auf scheinbar unaussprechliche Abgründe hinzuweisen. Auf „Angst“ muss man sich zwar nicht mehr durch mediokre Tracks kämpfen, es bleibt aber die Frage, wie gut es der Kunstfigur Lance Butters steht, ein durchweg engagiertes, gutes Album aufgenommen zu haben. (VÖ: 12.10.2018, via Four Music)

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Irgendwann zu Beginn der Dekade hat Dylan Baldi uns alten Gitarren-Nostalgikern versprochen, Alternative Rock irgendwie durch die 10er Jahre zu tragen. Dass das schwierig werden würde, war absehbar, weswegen sich andere Akteurinnen und Akteure nur alle Jubeljahre blicken lassen oder in die alte Falle tappen und ausverkaufen, um auf prallen Portmonaits irgendwas vom Ende der Rockmusik zu faseln. Allein Baldi hielt Wort, sparte sich Riff um Riff vom Mund ab, ging mit Steve Albini ins Studio, versuchte sich 2017 an der Rehabilitierung von College-Rock und fräst nun mit „Last Building Burning“ allen das Gesicht weg, die im Anschluss frech behaupteten, Cloud Nothings seien langweilig geworden. Wo „Here And Nowhere Else“ zwischen Optimismus und Brachialität verhandeln wollte, wirft sich das fünfte Album des Quartetts rücksichtslos in den Lärm, beruft auf die markanten, dramaturgischen Strukturen der Vorgängeralben, ohne dabei übermäßig zu zitieren. Baldi presst in „Leave Him Now“ und „The Echo Of The World“ Melodien heraus, die andere ins Zentrum des Songs stellen würden, die hier aber in einem Schwall aus – HERRGOTT – Rock auf uns einströmen, der erst so richtig abreißt, als das obligatorisch-überlange Stück „Dissolution“ in der Mitte Richtung Feedback-Minimalismus, Shoegaze-Geblubber und Free-Jazz-Beat driftet. Von neuen Facetten muss hier keiner sprechen: Cloud Nothings sind Cloud Nothings, und damit gerade eine der wenigen Bands, die sich vor solchen Tautologien nicht fürchten müssen. (VÖ: 19.10.2018, via Carpark Records)

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Statt einer sechsten Meinung aus meinem Monat, anbei ein willkommenes Gastspiel von Kollege Erik:

Jaja, der Hype. Der schwebt nicht erst seit diesem Jahr (zurecht) über den Leoniden, diesen fünf sympathischen jungen Kielern und Hamburgern. Beim diesjährigen MS Dockville lockte ihr Auftritt am späten Freitagnachmittag etliche Menschen an, die Vorfreude auf das zweite Album „Again“ wurde mit mehreren Single-Auskopplungen angefacht. Die Resonanz ist so überwältigend, dass die 2019 Tour bereits aufgestockt wurde. Zu „Again“ meinten die Leoniden schon im Interview mit Testspiel: „Wir haben das erste Album weitergeschrieben, als wäre es ein langes Album. Und trotzdem versucht, unser Repertoire weiterzuentwickeln und uns Sachen zu trauen, die wir uns vorher nicht getraut hätten.“ Schon beim Opener „River“ erahnt man: Das haben sie geschafft. Die Leoniden sind drauf und dran, ihren eigenen Sound zu kreieren. Der klingt stellenweise nach musikalischen Helden wie At the Drive-In oder Incubus, doch er wird geschickt mit einer eigenen – stets tanzbaren – Note veredelt. „Kids“ klingt so gut wie vertraut, wurde es doch schon vorab veröffentlicht. Der Song hat mit seiner Dynamik und dem explosiven Refrain „Fuck it all, we killed it tonight, we stay awake“ das Potenzial, die neue Tanzhymne inklusive Mitsingen für junge Menschen zu werden. „Down the Line“, „People“ oder „Why“ zeigen die angesprochenen neuen Facetten der Band auf – inklusive erstaunlich gut passendem Frauenchor. Wie so oft werden die Songs, vor allem „Colorless“, auf der Bühne nochmal eine andere Energie entfachen, vor allem bei den für ihre schweißtreibenden Konzerte bekannten Leoniden. Mit Sicherheit passen die zehn neuen Lieder von „Again“ hervorragend ins Live-Repertoire der Band. (VÖ: 26.10.2018, via Vertigo/Universal)

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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