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Album der Woche: Pallbearer – Heartless (Kritik)

Betrachtet man die Geschichte der Rockmusik als Anhäufung von Ereignissen, kommt man nicht umhin, an bestimmten Genres zu gewissen Zeitpunkten einen ausgeprägten Herdentrieb zu betrachten. Ein derartiges Phänomen ereignete sich etwa, als etliche Metal-Bands Anfang der 90er das Gefühl hatten, ihre Musik sei auserzählt und die Antworten auf ihre Krise im weiten Spektrum des – spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr korrekt betitelten – Alternative-Rock fanden. Ähnliches spielt sich seit ungefähr zehn Jahren im Doom/Sludge-Bereich ab: Nach zwei, drei Alben stellt sich immer häufiger das Gefühl ein, den eigenen Sound dringend mit Elementen der 70er Jahre anreichern zu müssen, natürlich immer mit dem Ziel vor Augen, irgendwann mit dem Label „Prog“ versehen zu werden.

Es brauchte nicht viel Fantasie, um sich spätesten bei „Foundations Of Burden“ auszumalen, dass auch Pallbearer ein solcher Schritt bevorstehen würde, und tatsächlich: „Heartless“ sieht nicht nur so aus wie ein Progressive-Rock-Album, es klingt auch so. Der Unterschied zu vielen Kollegen ist, dass das Quartett aus Arkansas diese Anlage schon immer mit sich rumschleppte und im Grunde nur noch das Verhältnis umkehren musste; wo früher hinter den schwerfälligen Stücken ein progressiver Duktus stand, da hört man den fein verästelten Stücken heute eher ihre Lehrjahre im Doom an. Diese Verästelung führt glücklicherweise nicht dazu, in einem Anfall falsch verstandenen Virtuosentums sämtliche Stücke mit gniedeligen Soli aufzuladen und zwanghaft auszudehnen, im Gegenteil. Gerade zu Beginn der Platte bündeln sie ihre Stärken sehr gekonnt, ohne dabei an Intensität zu verlieren.

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„Thorns“ bringt, einem Schwellenstück gleich, schwere Riffs, eine bittersüße Hook und ein großes Finale innerhalb von fünf Minuten auf den Punkt – eine angenehme Hilfestellung, bevor sich „Heartless“ auf seine Kernkompetenzen beschränkt. Analog zur Covergestaltung tasten Pallbearer hier weitläufige Klangflächen ab, denn nur weil die Gitarren plötzlich – trotz warmer Produktion – sauberer als gewohnt klingen, haben sie keineswegs die Schwerfälligkeit des Doom abgelegt. Behutsam werden gerade die beiden Stücke entwickelt, die die Zehn-Minuten-Marke überschreiten. „Dancing In Madness“ geht von sphärischen Post-Rock aus und wechselt in der Folge gekonnt zwischen Sludge und ruhigen, akustischen Passagen, ohne dabei ein gewisses Understatement vermissen zu lassen.

Pallbearer tun sich und uns den Gefallen, die Zeichen hier nicht zwanghaft auf Epos zu stellen und arbeiten sich stattdessen an den Klangwelten von Bands wie Pink Floyd und Mastodon ab, wobei gerade Brett Campbells Gesang eine ungeahnte Sicherheit erkennen lässt. Schön kontrastiert er also mit seiner bisher melodiseligsten Leistung die Texte der Band, die immer noch angenehm seufzend um die Sinnlosigkeit allen Seins und die damit verbundenen Leiden kreisen. Bereits im ersten Stück der Platte wird eine klare Losung als einzige Gewissheit ausgegeben: „I saw the end/Of all tomorrows“.

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Und so beständig hier auch von Flüssen aus Blut und Bergen der Toten gesungen wird, so sehr nähert sich die Musik doch einem gewissen Pop-Appeal an. Anders formuliert: Hätten Pallbearer die Melodien ihres überlangen Closers „A Plea For Understanding“ nicht mit doomiger Zähigkeit an die Wand gespielt, das derzeit vereinzelt aufkommende Sellout-Gemurmel hätte sich wohl mindestens zu einem deutlichen Räuspern ausgewachsen. Doch es braucht eben auch diese Seite, um die Band weiterhin spannend zu halten und ewig nicht im ewigen Tal der Verdammnis zwischen Südstaaten-Schwere und Sabbath-Epigonentum vor sich her vegetieren zu lassen.

Vielmehr gelingt es ihnen mit „Heartless“, ähnlich wie in den 00er Jahren Mastodon, aus ihrer Vergangenheit heraus eine eigene Handschrift zu entwickeln und zwischen Prog, Doom sowie Pop seltsam ungreifbar zu bleiben. Und natürlich ist es gerade diese fehlende Greifbarkeit, mit der „Heartless“ den Hörer wieder und wieder herausfordert, sich irgendwo in seiner beiläufig und weltbewegend zugleich wirkenden Melancholie zu verlieren.

„Heartless“ erscheint am 24.03. via Nuclear Blast auf Platte, CD und digital.

Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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