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Roosevelt im Interview: „Ich hatte immer den Support von Hot Chip und musste mich nie verbiegen.“

Der Guardian lobt ihn, Pitchfork liebt ihn und Intro hat ihn im Juli auf den Titel gehoben: Roosevelt a.k.a. Marius Lauber. Durch Zufall wurde Joe Goddard von Hot Chip auf den 25-jährigen Kölner aufmerksam und nahm ihn direkt unter seine Fittiche, auf seinem Label Greco-Roman unter Vertrag und 2015 mit auf Tour.

Am 19.8. hat Roosevelt sein selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlicht und macht damit klar, was seine Mission ist: Dance, dance, dance. Wie er herausgefunden hat, dass Tanzbarkeit ein essentielles Feature seiner Musik sein muss, welches Stück auf seinem Album sein Favorit ist und wie er als gefragter Remixer an Tracks von Glass Animals, Tocotronic oder KMF rangeht hat er mir im Interview verraten.

Joe Goddard von Hot Chip hat dich entdeckt und gefördert. Du hast in anderen Interviews gesagt, dass du gar nicht genau weißt, wie er auf dich kam. Wie ist das denn passiert?
Ja, das war tatsächlich ein Praktikant bei Greco-Roman, der etwas von mir entdeckt hat. Ich weiß gar nicht, wie er darauf gekommen ist, weil das Stück eigentlich nicht auf Blogs unterwegs war. Ich hatte es eigentlich nur auf Vimeo hochgeladen. Und zwar war das ein Visual-Video zu „Sea“, so ein zusammengeschnittenes Ding mit tanzenden Menschen. Es ging aber um den Song selbst und auf einmal haben die vom Label mich gefragt, ob ich nicht in Releases denken wollen würde – also, dass ich mal ’ne Single oder ’ne EP machen könnte. Wenn das Label nicht da gewesen wäre, wäre ich vielleicht an meine EP gar nicht so ambitioniert rangegangen. Für mich hat sich die Label-Frage dadurch nie gestellt. Ich bin dann auch gleich mit T-E-E-D auf Tour gegangen, der ja auch bei Greco-Roman ist und letztes Jahr mit Hot Chip, da hat Joe mich reingemogelt – ich hatte also immer jemanden, der mich supportet hat und musste mich nie verbiegen.

Roosevelt – „Sea“

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In deiner Schulzeit warst du Schlagzeuger der Rock-Band „Beat! Beat! Beat!“ – jetzt machst du elektronische Musik. Im Interview hast du mal gesagt, dass dieser Wandel dadurch kam, dass du während deines Studiums in Köln von elektronischer Musik umgeben warst. Welche Orte oder Musiker haben dich dort am meisten beeinflusst?

Für mich war dieser Wandel gar nicht so ein großes Ding. Denn: Das was ich jetzt mache, fühlt sich immer noch sehr wie eine Band an und nicht wie ein typisches elektronisches Projekt, ich spiele ja die Instrumente – bis auf ein paar Ausnahmen – im Studio ein und bei Liveauftritten sogar mit Band. Es ist also keine 180-Grad-Wende. Trotzdem stimmt es: Den elektronischen Einfluss habe ich durch Köln und das Label Kompakt bekommen, wo ich mal einen Remix rausgebracht habe. Darüber habe ich dann andere Künstler wie zum Beispiel Coma kennengelernt, die auch dort sind. Das ist das Schöne an Köln, dass man sich irgendwann über den Weg läuft. Ich hab dann auch aufgelegt, so 2009, 2010. Anfangs im Subway und später dann im Studio 672 auf den Kompakt-Parties. Durch die Erfahrung in den Clubs habe ich gemerkt, dass ich eine gewisse Tanzbarkeit in meine Musik einbringen möchte. Ich wollte immer noch Songs machen und keinen harten Techno. Bei mir hat das Elektronische doch eher einen Pop-Appeal.

Roosevelt-Remix von Comas „Les Dilettantes“

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Ich bin großer Fan deines Remixes von „Flame“ von Sundara Karma. Wie kommst du auf die Lieder, die du remixt? Wie gehst du vor?
Das Prozedere ist relativ langweilig: Die Bands fragen einfach an, ob ich Lust und Zeit habe, einen Remix von einem bestimmten Stück zu machen. Da kommen eben manche rein, die ich machen will und manche, die mir nicht so gefallen. Mein Hauptausschlusskriterium: Wenn der Track zu gut ist und man gar nicht weiß, was man machen soll. Man sollte also den Track schon gut finden, aber auch wissen, was man daran besser machen kann – im Sinne des eigenen Geschmacks. Ich sehe einen Remix tatsächlich als eine komplett neue Produktion. Ich habe meistens nur den Gesang und mache dann eine komplett neue Produktion draus. Das ist ganz spannend, weil es etwas komplett anderes ist, als wenn ich selbst singe. Bei den Remixes kann ich mich komplett auf die Produktion konzentrieren. Das ist ganz gut, um im Studio einen Workflow hinzukriegen. Bei sich selbst ist man ja oft sehr kritisch und sitzt tagelang an etwas dran. Bei Remixes geht es schneller, weil man nicht die emotionale Bindung dazu hat – ich höre mir deshalb die Tracks oft gar nicht an sondern nur die Spur für den Gesang. Deshalb mache ich solche Sachen ganz gerne. Aktuell habe ich einen für Glass Animals gemacht, der bald rauskommt.

Roosevelt-Remix von Sundara Karmas „Flame“

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Dein Album bringt für viele Disco-Elemente und auch einen Motown-Vibe mit. Irgendwie klingt das vertraut und heimelig, weil der Sound in meinen Augen schon Referenzen zur Vergangenheit herstellt. Dabei bist du mit 25 Jahren ja bestimmt kein Kind der Zeiten, als diese Musik gerade aktuell war. Würdest du deinen Stil beschreiben und was hat dich dahin gebracht?
Ein Genre für meine Musik zu finden fiel mir immer schon schwer. Es war einfach schon immer Teil von Roosevelt, dass wir bei Techno-Leuten genauso auf dem Schirm waren wie bei Rock-Fans. Das fand ich immer super und will da auch gar nicht eingreifen und sagen: „Ihr habe alle Unrecht!“ Ich mache einfach meine Musik und freue mich, wenn Leute das in verschiedene Schubladen einordnen. Was man aber schon sagen kann: Roosevelt ist elektronische Musik im Band-Gewand. Und dazu bin ich eben gekommen, weil ich in Gitarren-Bands unterwegs war und dann mit elektronischer Musik in Kontakt gekommen bin. Einen Mix aus beiden Welten machen einfach nicht so viele Bands. Es war eigentlich am Anfang sehr intuitiv. Und ich hatte das Gefühl, dass solche Musik noch nicht stattfindet und ich diese Lücke füllen will, ohne einem Genre zu folgen. Ich wusste, dass ich in dieser Grauzone zwischen den beiden Welten etwas machen möchte.

Du singst alle Stücke selbst. Ist ja eher ungewöhnlich, dass ein Ex-Schlagzeuger das Selbstbewusstsein entwickelt, selbst zu singen. Wann kam die Erkenntnis bei dir, dass du das schon ganz gut kannst?

In meiner ersten Band – so mit 14, 15 – war ich tatsächlich schon mal Sänger. Es war also nichts komplett Neues. Trotzdem ist es jetzt noch mal ein komplett anderes Ding, eine Platte zu machen, als so ein Schüler-Ding. Aber Gitarre und Gesang hatte ich also schon vor dem Schlagzeug. Schlagzeug zu spielen hat sich letztendlich eher angefühlt, wie der letzte Baustein in meiner Jugend. Da war es irgendwie nur konsequent, meine eigene Musik zu produzieren. Es hat sich also nicht nach „Vom Schlagzeug nach ganz vorne“ angefühlt sondern es war einfach so, dass ich überall mal reingeschnuppert habe.

Von welchem Lied denkst du, dass es am besten den Groove wiedergibt, den du erzeugen willst?
Ich glaube „Colours“ ist so ein Stück, das den Spagat hinbekommt zwischen Club und Pop. Es ist wie ein Titelstück für mich und war deshalb auch Singleauskopplung. Das Stück hat eine klassische Pop-Struktur aber einen ziemlichen Club-Sound. Das Spektrum ist bei diesem Song einfach am breitesten. Der ist live auf jeden Fall mein Lieblingsstück.

„Colours“ von Roosevelts Debüt-Album „Roosevelt“

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Du wirst mittlerweile ganz schön gehypet: Intro-Cover, Hypebeast und Pitchfork finden dich gut. Wie kommt man mit so viel plötzlichem Ruhm klar?
Für mich kommt das gar nicht plötzlich. Den Track „Sea“ habe ich ja bereits vor fünf Jahren veröffentlicht. Es waren schon Sachen dabei, auf die man sich gefreut hat: Die ersten Festivals wie Melt oder Primavera und dann die USA-Tour. Und zum Album-Release kommt das natürlich alles komprimiert, davor war es eher etappenweise. Letzendlich kam das alles eher organisch und auf relativ gesunde Art und Weise. Ich freue mich natürlich trotzdem, wenn mein Album gute Kritiken bekommt.

Verrätst du uns noch, welche Bands du aktuell gut findest?

Aus Köln kenne ich eine super Band: Woman. Die kann ich sehr empfehlen. Das sind gute Freunde von mir, die jetzt ihre erste Platte herausgebracht haben. Die machen elektronische Popmusik mit R’n B‘-Einfluss. Sonst noch Whitney, das ist eine kleine Band aus Brooklyn. Und das aktuelle Moderat-Album.

Woman – „Psychedelic Lover“

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Whitney – „Woman“

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Theresa
Theresa
Exil-Pfälzerin und Journalistin in Hamburg/St. Pauli.

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