StartMusikleicht: Der Abschied von Mikroboy

leicht: Der Abschied von Mikroboy

Gar nicht schlecht hätte ich es gefunden, wenn Mikroboy mainstreammäßig ganz oben mitgemischt hätten. Die nötigen Parameter sind doch eigentlich vorhanden: zugänglicher Poprock mit diesen episch-schwebenden Refrains und der obligatorischen Selbstfindungsthematik. Diesem ganzen Larmoyanz-Sumpf deutschsprachiger Chart-Musik täte es so gut, wenigstens einen nicht unterkomplexen Act in sein Schreckenskabinett aufzunehmen. Trotz kurzem Hallo bei Stefan Raab und Konsorten, sowie einem geheimnisvollen Lena-Meyer-Landrut-Tour-Support, hat es mit dem großen Durchbruch nicht hingehauen. Am Ende doch zu kantig?

Auch im Indiebereich kommt ihnen eine ambivalente Rolle zu – ihre ersten beiden, ziemlich guten Alben hätten größere Rezeptionswellen schlagen müssen. Vielleicht bedienten sie zu sehr ein Instrumentarium, welches in den auslaufenden 2000ern bereits in die omnipräsente Bausparvertragsmusik Einzug gehalten hat. Dafür kann aber Mikroboy nichts, sondern die um Nachahmung bemühten Idioten auf der anderen Seite.

„leicht“ ist als Vinyl und CD auf „Chateau Lala“ (Broken Silence) erschienen

Die Band geht jetzt auf Abschiedstour. Mit dem Ende vor Augen können kreative Prozesse noch einmal richtig beschleunigt werden, vorausgesetzt man hat tatsächlich noch etwas zu sagen. Mit leicht ist Mikroboy ein großes herzenswarmes Album gelungen, das diesen alles-umarmenden Mid-90s-Emo-Flair hat, der nur die allerfeinsten Hormone auszuschütten vermag. Es ist weniger strebermäßig durchkonzipiert als die Vorgänger und bemüht sich nicht den eigenen Trademark-Sound zu wahren. Das sonst gern beigemengte elektronische Gefrickel – das noch aus einer Zeit herrührt, in der The Postal Service das große Ding auf Myspace waren – ist fast komplett raus: Gute Idee! Die Stücke haben vielfach mehr Punch und verabschieden sich vom Pop-Anspruch, ein breites Publikum erreichen zu wollen.

Sänger Michael Ludes führt gesetzter durch die Songs, die Stimme hat sich von einem in Teilen recht hektisch und nölig wirkenden Timbre gelöst. Die inhaltliche und interpretatorische Haltung erweckt den Anschein, als sei der Songschreiber und Sänger okay mit sich, seiner Musik und der Welt um ihn herum. In Reviews heißt es dann gerne, der Künstler sei „angekommen“. Auf jeden Fall gelingt ihm über die entspanntere Haltung in Form und Sprache, ein Hörerzugang auf höherer Ebene.

Um abschließend noch eine herrliche aus der Zeit gefallene, dennoch nicht minder wahre Besprecherfloskel einzubinden: leicht ist ein Album voller Hits, Hits, Hits!

Adieu, Mikroboy! Immer schön, wenn Bands die Weitsicht haben, auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung einen Strich zu ziehen.

Ich laufe matt durch diese Stadt
Und die Farben komm zurück‘
Der erste Schreck ist weg
Und niemand ist gestorben – zum Glück

Doch je mehr du dich entfernst
Spannt sich das Band das uns verbindet
Und schleudert dich unweigerlich
Wieder zurück

                                              – Niemals bereit (vom Album „leicht“)

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Mikroboy-Tour 2016

16.05. Berlin „” Badehaus Szimpla
17.05. Hamburg  „”  Kleiner Donner
18.05. Hannover  „”  Lux
19.05. Bremen  „”  Tower
20.05. Essen  „”  Hotel Shanghai
21.05. Osnabrück  „”  Kleine Freiheit
22.05. Köln  „”  Blue Shell
24.05. München  „”  Kranhalle
25.05. Regensburg  „”  Heimat
26.05. Leipzig  „”  Moritzbastei
27.05. Stuttgart  „”  Kellerklub
28.05. Koblenz  „”  Circus Maximus
29.05. Neunkirchen  „”  Stummsche Reithalle
30.05. Wiesbaden  „”  Schlachthof
31.05. Heidelberg  „”  Halle 02 (Club)

Julian Gerhard
Julian Gerhard
Wechselte 2013 für ein M.A.-Studium von Münster nach Bochum. Das Studium ist fertig und das Ruhrgebiet bildet den neuen Arbeits- und Lebensmittelpunkt.

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