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„Wu-Tang ist eine Art zu leben.“ – RZA & Mathematics im Interview

© Kayodi

Zur Veröffentlichung ihrer neuen Platte The Saga Continues, trafen wir uns vor einer Woche mit RZA und Mathematics vom Wu-Tang Clan. In entspannter Atmosphäre haben wir uns u.a. über das neue Album und die Zukunft des Wu-Tang unterhalten, sind aber auch abgeschweift zur Entstehung des Wu Logos, politischen Themen wie Eminems anti-Trump Rap oder die musikalische Zusammenarbeit mit Questlove. Wer sich „The Saga Continues“ noch nicht angehört hat, sollte dies auf jeden Fall tun. Das Album überrascht musikalisch nicht, bringt aber den klassischen Wu Vibe, der unsere Köpfe in den 90ern in Bewegung gesetzt hat. Das Hören lohnt sich daher nicht nur für die eingefleischten Wu-Fans der ersten Stunde, sondern auch jene, die vielleicht erst bei „A Better Tomorrow“ eingestiegen sind und hören müssen, dass die Jungs auch anders können.

Der Wu-Tang Clan hat mehr als zwei Jahrzehnte auf dem Buckel und scheint dennoch des Produzierens neuer Musik nicht überdrüssig zu werden. Wenn ihr auf eure Geschichte schaut und diese mit The Saga Continues in Verbindung setzt, wie stellt ihr sicher, dass der Wu-Tang Clan relevant und einflussreich bleibt, ohne sich auf alten Lorbeeren auszuruhen?

RZA:

Ich denke, dass es möglich ist unsere Relevanz zu kalkulieren. Wir verstehen, welches Produkt – sei es als Band oder als Marke – von uns geliefert wird. Wenn man das einmal verstanden hat, dann weiß man, dass es eine Nachfrage für dieses Produkt gibt. Du musst nur wissen, wann und wie es gefüttert werden will. Ich denke, dass uns sehr klar ist, dass es viel Hip Hop gibt, dass es da draußen viel Musik gibt – Aber es gibt nur einen Wu-Tang. Besonders den modernen Wu.

Die beste Analogie ist, dass Menschen verschiedene Drogen zu sich nehmen. Der Wu-Tang ist eine dieser Drogen, die für einen Hip Hop Liebhaber unersetzlich sind. Du brauchst Wu-Tang in deinem Leben.

Wenn man sich „The Saga Continues“ anhört, fängt der Kopf schnell an mitzunicken, als wären es die 90er. Bei der Vielfältigkeit des heutigen Hip Hop Publikums, gibt es ein spezielles Publikum, das Du erreichen wolltest oder geht es dir vor allem darum, den klassischen Wu zu bringen?

Mathematics:

Ich würde nicht sagen, dass ich beim Schöpfungsprozess ein gewisses Publikum im Kopf hatte. Ich wollte machen wonach mir ist. Dabei möchte ich vor allem mir selbst treu bleiben und das ist immer der erste Schritt, weil ich sehr streng mit mir bin. Wenn ich das Resultat liebe, dann hoffe ich, dass es dem Rest der Welt genau so gehen wird! Dabei probiere ich natürlich nicht nur etwas nachzubilden, was es eh schon gab. Das wäre vor allem beim Wu-Tang purer Irrsinn. Ich würde niemals versuchen etwas wie Enter the Wu-Tang (36 Chambers) oder Wu-Tang Forever nachzuahmen. Das Einzige, das ich machen kann, ist meinen Beitrag zu leisten und die Saga am Laufen zu halten, während ich mir selbst und dem Wu treu bleibe. Natürlich hört man den Signature-Sound, weil es unser Hip Hop ist und das ist es, was ich lebe. Wu-Tang ist eine Art zu leben. Deshalb baue ich darauf auf, schmiede es aus, hebe die Messlatte noch höher und sorge dafür, dass es für die Zukunft relevant bleibt.

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„Wu-Tang ist eine Art zu leben.“

 

Mathematics hat es gerade schon angeschnitten: Nach fast 25 Jahren Bandgeschichte bringt ihr ein Album mit dem Titel „The Saga Continues“. Wie kam es zu der Auswahl und worauf können wir uns noch freuen?

RZA:

Weil der Wu-Tang noch lange nicht am Ende ist. Das meine ich nicht nur als MCs, sondern auch als Geist und Energie, die wir anbieten. Und weil Math auf dieses hohe Produktionslevel gekommen ist, das den puren Wu-Tang Vibe mit sich bringt, wird er die Saga fortsetzen. Manche fragen mich: „RZA, warum bist du zurückgetreten?“  Was dieses Album gezündet hat, war der Moment, in dem Math zu mir kam und die ersten Tracks vorgespielt hat. Da meinte ich: „Das klingt wie der echte Wu Shit!“ Ich bin der Vater des Ganzen und habe erkannt, dass genau das, was ich da gerade hörte, mein eigen Fleisch und Blut ist. Also hat er mehr und mehr MCs für das Album um sich geschart, aber wir hatten noch kein klares Ziel vor Augen. Eines war allerdings klar: Math sollte das gesamte neue Wu Album produzieren, denn er ist bereit. Dann vergaßen wir das Ganze mit der Zeit und nach einem Jahr kam Math mit 5 weiteren Tracks zurück. Während der Zeit war er gerade mit Method Man und Redman unterwegs, die ja auch auf dem neuen Album sind. Irgendwann kam er mit insgesamt 8 Tracks zu mir, teilte sie auch mit anderen MCs und ich erkannte: „Das ist die Möglichkeit, den Platz für meinen Erben zu räumen.“ Auch, wenn auf dem Album ein paar neue Leute am Start sind – was mitunter knifflig ist – ist das Album von der Wu-Tang Signatur geprägt. Es ist Wu-Tang, es klingt wie Wu-Tang, es fühlt sich an wie Wu-Tang und wurde nicht nur von einem Bruder gemacht, der von Anfang an dabei war, von Anfang an Mitglied war, sondern auch eine andere Ausdrucksweise des Wu-Tang mit sich bringt, die die Saga in die Zukunft führen wird. Als ich im Modus war, brachte ich 36 Chambers, Return to the 36 Chambers, Gravediggaz, Wu-Tang Forever. Jetzt ist Math im Modus und ich passe ihm den Ball zu, damit er den Schuss macht.

Wie war das für dich, als RZA dir die gesamte Produktion für „The Saga Continues überließ“?

Mathematics:

Wenn ich im Prozess des Schaffens bin, dann schaffe ich einfach nur. Ich war darauf konzentriert, woran ich gerade arbeitete. Danach konnte ich es kaum erwarten, dass das Album veröffentlich wird und jetzt lehne ich mich zurück und genieße.

RZA:

Außerdem ist es kein einfacher Job, alle zu einer Verpflichtung zu bewegen. Die Wu Mitglieder sind pingelig und wählerisch, wenn es um ihren Sound geht, aber die Arbeit an diesem Album war einfach, weil sich die MCs seine Tunes anhörten und unbedingt auf das Album wollten. Das ist anders als sonst.

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Das Lied „Why Why Why“ hat einen politischen und gesellschaftskritischen Charakter. Worauf machst du damit aufmerksam?

Das Lied stellt die Frage nach dem „Warum“. Warum, nach all diesen Jahren an Dienst für ein Land, Blut, Schweiß, Tränen, Wehrdienst, Gebäude bauen, auf Plantagen arbeiten, auf Bauernhöfen arbeiten, Zugstrecken bauen, warum gibt es immer noch keine Gleichberechtigung und Gerechtigkeit? Und dabei geht es nicht nur um Schwarze. Es geht ebenso um Asiaten, Latinos und auch Weiße, denen es schlecht ergeht. Warum? Dieses Land hat einen Überfluss an Wirtschaft. Ich habe dafür keine Antwort. Aber was ich sagen kann, ist dass das Bauen von 10 Kriegsschiffen viel Geld kostet und man mit diesem Geld wahrscheinlich 1.000 Schulen errichten und führen könnte. Vielleicht könnte man mit dem Geld sogar unser Gesundheitssystem annähernd reparieren.

Das Problem, das ich habe, bezieht sich darauf, dass manche Menschen nicht mal den Wert eines Brotlaibs haben. Manchmal muss auch der Wu ein Statement machen darüber, wie wir die Dinge wahrnehmen. Why Why Why ist dieses Statement.

Der Wu Tang Clan ist nicht nur musikalisch einflussreich, sondern auch als Marke. Mathematics, du hast das Wu-Tang Logo gezeichnet, eines der ikonischsten und zeitlosesten Logos unserer Zeit in Musik und Mode. Wenn du an der Uhr drehen könntest, was würdest du an dem Logo verändern oder überarbeiten?

RZA:

Er würde mir wahrscheinlich mehr als 400 Bucks dafür abknüpfen!

Mathematics:

Vielleicht, sagen wir, so“¦ 450$?

RZA:

Es ist verrückt, was im Hintergrund abgeht, wenn Leute Dinge entwerfen. Wir sprechen nicht viel darüber, aber es gibt manchmal Auseinandersetzungen, weil Math das Logo ursprünglich für mein Unternehmen entwarf. Wir hatten noch keine Platte. Es war daher für Wu-Tang Production gedacht. Dafür brauchte ich die richtige Repräsentation, weil ich wusste, dass sich hier etwas wichtiges auftun könnte.

Als das Logo endlich zu dem wurde, was wir wollten, wussten wir, dass das die richtige Repräsentation für uns sein wird. Ursprünglich war es ein Sticker, auf dem stand nur „Wu-Tang“ und darunter ein Schwert mit ein paar anderen Sachen. Es war also noch nicht das „W“. Zu der Zeit hatte ich bereits „Protect Ya Neck“ im Kopf und Mathematics zeichnete ein W mit einer Hand, die einen blutenden Kopf hielt. Naja“¦das ging halt nicht. Auf den letzten Drücker, einen Tag bevor ich meine Visitenkarten mit dem Logo drucken wollte, kam er dann mit dem finalen Design an. Ich nahm das Logo, zeichnete ein Buch drum rum und setzte ein Schwert darunter. Und bis heute ist es das, was der Wu-Tang immer war und sein wird.

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Mathematics:

Das Buch ist die Weisheit, aber das Schwert ist ein anderer Weg auf sich aufzupassen. Irgendwann haben wir das Schwert vom Buch entfernt und seitdem steht das „W“ für sich alleine. So sieht man es heute. Gano, eine Graffiti-Legende, hat bei The Saga Continues am Cover mitgearbeitet und im Inlay sieht man auch was von ihm. Der hätte auch das Logo machen können.

RZA:

Gano ist der, der das Logo eben nicht entwarf, obwohl er es locker hätte machen können. Aber das ist auch Teil des Wu Spirits. Er hätte gekonnt, tat es aber nicht. Genau so, wie ich für The Saga Continues einen Schritt zurück machte und Math die Produktion überließ, ließ Gano das Logodesign von Math machen. Einander unterstützen und pushen – Der Wu Weg.

„That“™s one smart motherfucker right there!“

 

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Ihr habt letztens mit The Roots bei Jimmy Fallon gespielt. Mit Sicht auf eure Entwicklungen als Produzenten, sind die Beats im Laufe der Zeit spielbar und organisch geworden. Wie inspiriert euch die Zusammenarbeit mit Menschen wie Questlove?

RZA:

Questlove ist unser Mann! Er ist unser Homie. Wir lieben Questlove und sehen ihn als Familie. Wir haben Questlove und Tariq „Black Thought“ Trotter seit vielen Jahren verfolgt und sind mit ihnen aufgetreten oder haben Jam-Sessions gemacht – wie man das unter Buddies macht. Letztes Jahr haben wir mit ihnen eine Show in Bryant Park (Anm. d. R.: Roots Picnic 2016) gespielt. Egal welchen Song wir gespielt haben, Questlove und The Roots haben sie perfekt emuliert, also mit der Band gespielt. Das ist überragend. Selbst, wenn es ein komisches Sample war, sie haben es hinbekommen. Questlove hat das Ganze orchestriert und ich dachte mir „That“™s one smart motherfucker right there!“ Der Typ hat eine Band, die einfach jede Art von Hip Hop replizieren kann. Der Auftritt bei Fallon war nichts im Vergleich dazu.

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Nochmal zurück zum Status Quo in Amerika: Wir haben Eminems anti-Trump Rap ziemlich gefeiert. Er hat damit natürlich weltweit große Schlagzeilen generiert. Was würdet ihr Eminem dazu sagen?

RZA:

Eminem hat den Vogel abgeschossen. Ich bin froh, dass er es getan hat, denn wenn es von einem Schwarzen kommt, dann meinen die Leute nur, dass wir uns mal wieder beschweren und Trump könnte einfach müde abwinken.

Mathematics:

Ja, Trump würde sagen „Ach, haltet die Klappe mit eurem ständigen Gemecker!“ Das kann er zu Eminem nicht sagen.

RZA:

Das ist ein weisser Typ, der rapt, der schon reich ist, der ein gutes Leben hat und dennoch kommt er um die Ecke und sagt: „Nein, ich sehe den Bullshit auch!“ Für uns ist das eine gute Sache, weil Hip Hop immer eine Stimme hat. Vielleicht denkt man manchmal, dass diese Stimme verschwunden ist und vielleicht werden jene, die diese Stimme nutzen einfach verworfen, aber wenn sich jemand mit Eminems Kaliber äußert – und ich will an dieser Stelle nicht die Rasse-Karte ziehen – vor allem als Weisser, dann hat das einen hohen Wert. Wir sind froh, dass Eminem den Mut dazu hatte.

Mathematics:

Das lustige daran ist, dass Trump bisher keine Reaktion gezeigt hat, oder?

RZA:

Trump hat dafür nicht das Vokabular.

Mathematics:

Er hat es wahrscheinlich versucht, aber gecheckt, dass er dafür einen Ghostwriter braucht.

RZA:

Trump so: „Yo Drake! Du kommst doch aus Kanada! Wir sind Verbündete, ich brauch dich mal kurz!“

Roman
Roman
Geboren im Ruhrgebeat und nach 6 Jahren Ausland, hat Roman 2013 Berlin zu seiner Wahlheimat gemacht. Neben der täglichen, leidenschaftlichen Suche nach neuer, guter Musik (fast) aller Genres, ist er Wissenschaftler.

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