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Iceland Airwaves 2015 – Tag 3

Ich würde mich als einen Musik-Liebhaber bezeichnen. Seit einigen Jahren schon besuche ich jährlich unzählige Konzerte, schreibe für die verschiedensten Musik-Blogs und kann ganze Nachmittage auf den Seiten von Pitchfork, NPR und Co. verbringen. Genau deshalb wirkt es auf mich so unwirklich, an einem einzigen Festival-Tag gleich mehrere „Beste Konzerte meines bisherigen Lebens“ zu sehen. Auch am gestrigen Freitag ließ sich die Sonne nicht über Island blicken und genau deshalb stand der gesamte Tag im Zeichen der handgemachten Live-Musik.

12:30 – KEX Hostel

Der Frühstücksraum in meinem Hotel hat jeden Tag von 7:00 bis 10:00 geöffnet. No chance! Direkt nach dem Aufstehen spaziere ich an der Küste entlang zum KEX Hostel. Dort finden jeden Tag die berühmten Live-Sessions des amerikanischen Radiosenders KEXP statt, über welche ich auf das Iceland Airwaves Festival aufmerksam wurde. Mit einem starken, schwarzem Kaffee bewaffnet sichere ich mir einen der wenigen Hocker in Bühnennähe, denn in ein paar Minuten wird die wunderbare Soley ein kleines Solo-Set spielen.

14:00 – KEX Hostel

„You’ve tuned into KEXP 90.3 FM in Seattle. I am Kevin Cole and we are live from Iceland Airwaves in Reykjavik. It’s 2 pm here, 6 am in Seattle and we have got the perfect soundtrack for you to start the day. Enjoy Soley!“ Bei diesen Worten bekomme ich eine leichte Gänsehaut. Ich habe jahrelang davon geträumt, zu diesem Festival zu reisen und jetzt stehe ich hier, inmitten von musikinteressierten Menschen, Musikern aus aller Welt und bärtigen Wikingern. Draußen peitscht der Regen gegen das Fenster, während es im KEX Hostel nach Kaffee duftet und Soley ihr Set eröffnet.

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14:15 – KEX Hostel

Verdammt ist das gut. Die bestimmt 200 Zuschauer sind mucksmäuschenstill und auch das Barpersonal wagt es nicht, mit Tellern und Gläsern zu klappern. Es herrscht eine beeindruckende, angenehme Spannung und jeder hier spürt, dass dieses Konzert etwas ganz besonderes ist.

15:45 – Loft Hostel

Ursprünglich hatte mir vorgenommen, hier nicht nur über Musik zu schreiben, jedoch bleibt mir bei diesem Wetter nichts anderes übrig, als von Off-Venue zu Off-Venue zu sprinten. Ich fühle mich ein bisschen schlecht, denn ich schaue mir gerade das zweite Konzert von dj flugvel ob geimskip an. Langsam verstehe ich die Begeisterung meiner gestrigen Bekanntschaft. Eine Halskette habe ich jedoch nicht dabei.

16:30 – Icewear Pingholtsstraeti

Selten wurde das Kaufen von Souvenirs so gut vertont, wie in dem Icewear-Store in der Pingholtsstraeti. Svavar Knutur, Aushängeschild der isländischen Songwriter-Gemeinschaft, spielt zwischen den Kleiderstangen ein Set, welches nur aus Publikumswünschen besteht. Naja, Musiker sind auch irgendwie Dienstleister, oder etwa nicht?! Ein Moment spiegelt die gesamte Mentalität dieses Festivals fantastisch wieder. Während eines sehr ruhigen Songs stolpert die kleine Tochter des Musikers auf die Bühne und klammert sich an seinem Bein fest. Warum ist alles an diesem Festival so liebevoll, nah und herzlich? Liegt es daran, dass man sich auf einer Insel befindet und der Musik deshalb komplett ausgeliefert ist? Ich weiß es nicht, aber es ist einmalig und schwer in Worte zu fassen.

18:00 – Lucky Records

The Anatomy of Frank halten den Rekord für die meisten Shows auf dem Iceland Airwaves Festival. Die amerikanische Indie-Rock-Gruppe spielt ausschließlich Konzerte in Off-Venues und kam bisher auf rund 30 Konzerte in zwei Jahren. Mittlerweile haben sie sich eine feste, isländische Fan-Gemeinde erspielt, die von Gig zu Gig mitzieht.

20:00 – Gaukurinn

Ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich versuche die Namen der Venues laut auszusprechen und mich dabei tierisch amüsiere. Gauuuukuuuuuriiiiiinnn. Klingt doch schon richtig nach einem Wikinger-Namen, oder? Eigentlich bin ich für Dad Rocks! gekommen, habe aber das Glück, noch die letzten zwei Songs von Toneron zu sehen. Die Kombination von elektronischen Beats und einem Live-Saxophon ist nicht wirklich innovativ und im Club-Bereich auch schon ziemlich eintönig geworden. Nichtsdestotrotz machen Toneron echt Laune und bringen das, hauptsächlich isländische, Publikum zum Johlen. Mein Konzert des Tages wird jedoch im Anschluss von Dad Rocks! gespielt. Die dänische Band mit isländischen Wurzeln hat so viel Spaß auf der Bühne, dass es einfach unmöglich ist, dieses Konzert nicht abzufeiern. Richtig großes Folk-Indie-Rock-Noise-Pop-Kino! Einfach stark!

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23:40 – Hurra

Ich überspringe ein paar Konzerte und komme zu einem Experiment, für welches die Organisatoren des Festival die Besucher als Testobjekte nutzen. Was passiert, wenn man die bekannteste Partyband der Insel, FM Belfast, in einem kleinen Club spielen lässt und vorher ein Techno-DJ die feierwütige Meute anheizt? Mittlerweile kenne ich das Resultat dieses Experiments. Es kommt zur absoluten Anarchie. Der Club platzt aus allen Nähten, der Schweiß tropft von der Decke und bunte Lametta-Rollen fliegen durch das flackernde Licht. 50 Minuten später stehe ich schweißgebadet vor der Tür des Clubs. Mein Hemd ist komplett nass und klebt an meinem Oberkörper, mein Gürtel hat sich bei der Feuchtigkeit gewellt und der Schirm meiner Cap ist verknickt. Das war es mir absolut wert! Leider zwingt mich dieses schweißtreibende Treiben jedoch auch dazu, den verfrühten Heimweg anzutreten, um einer Lungenentzündung aus dem Weg zu gehen. Gute Nacht, Island! Wir sehen uns in ein paar Stunden wieder.

Hendrik
Hendrik
Hendrik kommt aus Hamburg und macht beruflich irgendwas mit Medien. Und Facebook. Und natürlich auch Digitalkram.

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