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„Dann knallen wir uns vielleicht auch weniger ab.“ – ein Interview mit Marco Wanda

So, das Sziget 2019 liegt hinter mir. Die Eindrücke sind gesackt und ich finde endlich Zeit die Interviews von vor Ort niederzuschreiben. So auch das mit Marco Wanda. Der Fronter der österreichischen Rocker hatte vor ihrem Auftritt ein paar Minuten Zeit für mich.

Wie ich vor Ort lernen musste, sind Interview-Slots auf dem Sziget auf 10 Minuten begrenzt. Also kein Bullshit-Bingo sondern direkt in die Vollen.

Du hast mal in einem Interview gesagt, dass Musik dich in deiner Jugend bewegt hat, du aber die Texte nicht unbedingt verstanden hast. Wie funktioniert also Musik für dich als Konsumenten?

Das hat sich schon geändert. Was mich zum Beispiel an den Beatles fasziniert ist, die Lebensphilosophie, die in manchen Texten steckt. Wenn Zeilen wie „We can work it out“ fallen – das fasziniert mich. Das ist mittlerweile für mich die interessanteste Ebene in der Musik; dass sie so eine Stütze sein kann. Politik bringt mir nichts bei, außer Spaltung und Wissenschaft ist mir zu kompliziert. Auch wenn ich sehr viel dafür übrig habe. Literatur und Musik sind und waren immer die Medien, die mich berührt haben. Da geht es um Informationen und Dinge, die für mich Sinn machen. Die halt einfach mit dem Leben als solches zu tun haben.

Eine andere Sache, die in Interviews mit euch immer wieder aufkommt, ist das Thema „Re­fle­xi­on“. Was bedeutet Re­fle­xi­on für dich und eure Musik?

Ich glaube ein Lied zu schreiben ist immer eine Art von Suche nach sich selbst. Im günstigsten Fall trifft man während der Suche auf so eine Art Prototypen eines Menschen. Mich interessiert das Verallgemeinerbare und das ist auch meine Form der Re­fle­xi­on. Die Karriere kann ich ehrlich gesagt nicht reflektieren, sondern nur anerkennen. Sie ist einer von vielen Umständen in meinem Leben. Sie hat es definitiv verändert, aber ich glaube sogar zum Besseren.

Siehst du in der Verallgemeinerung eine Gefahr?

Überhaupt nicht! Für mich ist es viel gefährlicher, wenn Menschen nur als Konsumentengruppe gesehen werden. Ich meine damit viel eher, dass wir uns wieder auf das besinnen sollten, was wir gemeinsam haben. Dann knallen wir uns vielleicht auch weniger ab.

Auf dem Sziget wird unter anderem auch das Motto „Love is Love“ zelebriert. Was ist euer Beitrag?

Wir können nur offen sein. Und wir können nur auf der Bühne stehen und Freude daran haben vielleicht ein paar Menschen zusammen zu führen. Dass Menschen sich physisch erleben können, das ist mit einer der spannendsten Aspekte von meinem Job.

Textlich kommt diese Physis ja auch immer wieder auf. Ich denke da zum Beispiel an das Bild von „Händen auf dem Bauch“. Was ist Liebe für Wanda?

Ich glaube amore meint viel mehr. Vor allem, dass man jeden so nimmt wie die Person ist. Um die fleischliche Liebe geht’s eigentlich gar nicht so unbedingt, bei dem was wir machen. Mehr um Akzeptanz. Und ich glaube Liebe hat für mich persönlich denselben Stellenwert, wie für jeden anderen auch. Sie ist einfach verdammt wichtig (lacht).

Wenn ich mir Interviews mit österreichischen Interpreten so anschaue, dann schwingt da ganz oft so eine ganz bestimmte Attitüde mit. Sehr gelassen und mit einer ziemlich gezielten Wortwahl – was meinst du, woher das kommt?

Ist für mich eher eine schwierige Frage. Das ist eine Kulturperspektive. Mir erscheinen die Deutschen in Summe irgendwie immer viel gebildeter, als wir Österreicher (lacht). Mich fasziniert an den Deutschen, dass sie so bemüht sind Gedanken in Worte zu gießen. Bei uns Österreichern fällt das komplett weg. Wir sehen alles als selbstverständlich und nichts ist der Mühe wert. Der Österreicher ist ein spirituelles Wesen und seine Religion ist das Gemütliche. Und dann ist da noch die totale Angst vor dem Tod und die Faszination für den Anus. Weil anders erklärt es sich nicht, dass unsere Künstler die ganze Zeit in den 60ern öffentlich auf Tische geschissen haben (lacht).

Wenn wir schon beim Thema sind. Ihr habt erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit Instagram. Was ist deine Meinung zu den sozialen Medien und ihre Rolle für Musiker?

Ich hasse das. Ich verabscheue das. Aber als Band muss man es halt irgendwie machen, weil sonst reißt der Dialog mit den Leuten irgendwann ab. Mittlerweile verschiebt sich der ganze Informationshandel auf solche Plattformen. Also nutzen auch wir das einfach, finden es dabei aber mehr als lächerlich. Unser Leben hat sich dadurch nicht verändert, aber es hat den Beruf einfach pervertiert und um eine mühsame Qualität erweitert. X-mal die Woche zu fragen, was wir denn nun posten, empfinde ich immer als so einen selbst entlarvenden Moment des Elends.

Tja, dazu kann und will ich nicht mehr sagen. Steht ja auch ganz gut für sich. Wandas aktuelle Single „Nach Hause gehen“ vom, am 06. September erscheinenden Album Ciao! könnt ihr hier anhören und -sehen:

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Tim
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Manchmal etwas zu viel von Rob Gordon, manchmal zu wenig. Hamburger durch und durch.

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