StartAlbum der WocheDälek - Asphalt For Eden (Kritik)

Dälek – Asphalt For Eden (Kritik)

Während Opa Rock immer wieder diskutiert, ob er nun tot ist oder nur angeschlagen oder eben doch im x-ten Frühling befindlich, erfand sich Hip Hop in den vergangenen Jahren permanent neu. Kreative wie die Anarchisten des Odd Future Clans, der geniale Egozentriker Kanye West oder die Klang-Extremisten Death Grips waren und sind bereit, das Genre stets aufs Neue zu sezieren, genau zu untersuchen, was man gebrauchen kann und was man optimieren muss, und diese Operationen ohne Rücksicht auf Verluste oder Debatten um Realness durchzuführen. Das macht die Szene ungemein spannend, aber auch zu einem ungünstigen Ort, um sieben Jahre zwischen zwei Alben verstreichen zu lassen.

Nicht wenig überrascht ist man also beim Hören von „Asphalt For Eden“, der aktuellen Platte des Alternative-Hip-Hop-Konglomerats Dälek, darüber, dass ihr Ansatz an Reiz in besagter Zeit nichts eingebüßt hat. Um die Jahrtausendwende formten sie beim Zuhörer eine Ahnung davon, wie Hip Hop mit offenem Geist und befreit vom Diktat des reibungslosen Flows eben auch klingen könnte, stehen mit ihren ätherischen Einflüßen aus Stilen wie Postrock, Postpunk oder Noise aber nach wie vor als Außenseiter am Rande des Genres und haben scheinbar wenig Interesse daran, sich weiter in dessen Mitte zu bewegen. Gut so, denn aus sinister vorgetragenen Lines und einem Haufen digital-verrauschten Drecks haben Dälek eine der bisher besten US-Rap-Platten des Jahres gebaut, eben weil sie bereit dazu sind, einen absoluten Scheiß zu geben.

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Nach Erscheinungen auf Mike Pattons Label Ipecac sind Dälek nun folgerichtig beim Extreme-Metal-Label Profound Lore gelandet. Etwaigen Fragen um Sinn und Unsinn dieser Zuordnung schickt die Crew Songs wie das wuchtige, eröffnende „Shattered“ oder „Guaranteed Struggle“, das bereit ist, in die Tiefen zu folgen, die Prurient mit seiner letztjährigen Noise-Expedition „Frozen Niagara Falls“ bereiste, entgegen und entlarvt sie selbst als zu kurz gedachtes Verharren in Konventionen. Gerade Künstler wie Prurient funktionieren als Referenz für den gesamten Sound der Platte, denn ähnlich wie dessen statischen Kompositionen entwickeln auch Dälek selten Dynamik. Sie erkennen die Misstände, sie benennen sie, sie transportieren einen gewissen Horror, doch sie zeigen die Unmöglichkeit auf, diesen Horror mit simplen Mitteln zu überwinden; stattdessen führen sie den Hörer in jenen tristen, unbeweglichen Tümpel hinab, den sie in der Welt sehen.

Das kann in seinen Wiederholungen auch mal so anstrengend klingen, wie es sich gerade möglicherweise liest, doch im Grunde nutzen Dälek den geringen Raum zur Variation, den eine Spannweite von sieben Tracks bietet, hervorragend aus. „Critical“ ist etwa sehr nahe am klassischen Hip Hop gebaut und deutet zumindest an, dass Frontmann und letztes verbliebenes Gründungsmitglied MC Dälek auch in einem konventionellen Kontext bestehen könnte, wenn er denn darauf angewiesen wäre. In entgegengesetzte Richtung denkt das instrumentale „6db“: Ohne stimmlichen Zusatz breitet das Stück Schichten repetitiver Gitarren aus, die im schier endlosen Loop zergehen und eine Art entleerten, aber beschwingten Shoegaze skizzieren. Ausformuliert wird die Vision auf dem folgenden „Control“, das in Mantra-artigen Lyrics zwischen der Beschwörung von Kraft und Untergang oszilliert; Ausgang unklar.

https://soundcloud.com/profoundlorerecords/dalek-control

Eben dieses Schwanken und Zaudern macht Däleks Musik nach wie vor relevant. Sie zerrt die Wolkigkeit des Shoegaze in den Schmutz des Industrial, ohne ihm dabei seine Leichtigkeit zu rauben. In jeder Destruktion wohnt auf „Asphalt For Eden“ auch Schönheit, in jedem resignierenden Klang des verrauschten „It Just Is“ ein Hauch von Erleichterung über die kapitulierende Geste. Dass dieser Spagat auf einem Hip Hop Album stattfindet, das seine Genre-Zugehörigkeit nie hinterfragen muss, macht Däleks Rückkehr zum perfekten Coup.

7,9/10

„Asphalt For Eden“ erscheint am 22.04. via Profound Lore auf Platte, CD und digital.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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