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Album der Woche: Slowdive – Slowdive (Kritik)

Im Grunde mag es der Shoegazer gerne behaglich. Eingepackt in wattierte Klänge und demnach abgeschirmt von der Außenwelt, liefert er meist Innenansichten, vorgetragen im Ton des gleichgültigen Weltschmerzes. Womöglich lag in eben dieser Geschlossenheit der Grund für die rasche Gerinnung des Genres zu einem bloßen Sound, der in der folgenden Popmusik vielfach rezipiert wurde, seinen Begründern jedoch kaum nachhaltige Karrieren bescherte.

Logisch also auch, das Sound als bestimmender Faktor auf „Slowdive“, dem aktuellen Album der gleichnamigen Shoegaze-Heroen, auftritt. Im Gegensatz zu den Kollegen My Bloody Valentine war es bei Slowdive tatsächlich das Pop-Geschäft in Kombination mit dem bandeigenen Experimentierwillen, das ihre Laufbahn Mitte der 90er frühzeitig beendete. Nun, 22 Jahre später, ist dieser Hunger nach Erneuerung einer eindrucksvollen Stilsicherheit gewichen. Möglicherweise bietet der frühzeitige Bruch Slowdive einen guten Einstiegsplatz, vielleicht profitieren sie auch von der hinzugewonnenen Erfahrung, in jedem Fall klingt ihre neue Musik nicht nach blassem Selbstzitat, sondern vielmehr selbstbewusst.

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Selbst wenn der tatsächliche Stilbruch ausbleibt liegt eine gewisse Frische auch darin begründet, dass sich Slowdive hier nie auf den bloßen Effekt der bis zur Unkenntlichkeit aufgeweichten Gitarren verlassen und stattdessen auf Schattierungen setzen, an denen die Entwicklungen der jüngsten Jahre nicht spurlos vorbeigegangen sind. „Sugar For The Pill“ schraubt den Reverb etwa zurück und orientiert sich milde an der Erkenntnissen der The-xx-Schule, ohne sich im direkten Zitat zu ergehen. Dazu ist die Sicht bei aller Klarheit der Rhythmussektion zu vernebelt, ganz davon abgesehen, dass es rechts und links natürlich auch Expeditionen ins Herz des Effektpedals gibt.

„Slomo“ ist da fast noch der zu erwartbare Auftakt, eine gute Nummer, die jedoch auch in ein allzu behäbiges Abspulen alter Muster münden könnte. Doch spätestens mit der zwischen Trip und Pop changierenden Single „Star Roving“ sitzen Slowdive fest im Sattel und beweisen nicht zuletzt, dass ihr Gespür für Hooks ungebrochen ist. Inmitten der immer auch an sanftem Wohlklang interessierten Stücke bieten sie Halt, sorgen für memorable Momente. Solche umkreisen auch die Texte, die sich von ihrem Subjekt zwar nicht entfernt haben, nun jedoch immer öfter den Blick zurück wagen und damit die vergangene Zeit seit der Hochphase dieses Sounds, dieser Band geschickt reflektieren.

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Gegen Ende wird es dann auch noch mal unerwartet ambitioniert, als mit „Got Get It“ zunächst der Rhythmus gegen den Strich gebürstet wird und es „Falling Ashes“ gelingt, die beiden Sänger Halstead und Goswell über acht Minuten hinweg am Piano gegenüber zu stellen und dabei kein stück redundant zu wirken. Ein gekonntes Finale, das sich in richtigem Maße vom Kern des hier präsentierten Sounds entfernt, ohne ihn zu verwerfen, denn was hätte eine Slowdive-Reunion gebracht, hätte sie so gar nichts mit Shoegaze am Hut gehabt?

Natürlich klingt „Slowdive“ bisweilen nach einer sicheren Nummer, gerade an einem Tag, an dem auch Alben wie „United States Of Horror“ der Hip-Hop-Fledderer Ho99o9 oder „No Shape“ des zerbrechlichen Exzentrikers Perfume Genius erscheinen. Andererseits tendiert Pop gerade dazu, Statements um der Statements Willen zu machen, sich vorschnell als politisch zu labeln, einfach in der frommen Hoffnung, auch ein wenig Relevanz zu ergatterm. Slowdive bleiben hingegen, gemäß der Konventionen ihres desolaten Genres, ganz bei sich und finden dabei eine individuelle Antwort auf die noch immer aktuelle Fragestellung, wie Bands die Rückkehr zur Musik nach langer Pause ohne Peinlichkeit gelingen kann.

„Slowdive“ erscheint am 05.05. via Dead Oceans auf Platte, CD und digital.

Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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