StartAlbum der WocheIggy Pop - Post Pop Depression (Kritik)

Iggy Pop – Post Pop Depression (Kritik)

Räumen wir das gleich aus dem Weg: Diese Platte ist das, was man larger than life nennt. Die Rolling Stones sind ein Gag, AC/DC bröseln beständig auseinander, Bowie und Lemmy sind tot, kurzum: Wir werden nicht mehr viele Alben ikonischer Rockstars in den Händen halten, die ihrem Anspruch auch wirklich gerecht werden. Die noch einmal etwas zu sagen haben und musikalisch etwas taugen. Im Lager um Iggy Pop herum ist man sich dieser Tatsache natürlich bewusst, die gesamte Inszenierung des vorliegenden Albums mitsamt exklusiver (und überteuter) Tour und der suggerierten Verbindung zu Pops von Bowie produzierten Platten zielt exakt auf diesen Effekt ab.

Zudem handelt es sich bei „Post Pop Depression“– alleine der Titel! – um einen Schulterschluss mit der nächsten Generation, genauer mit dem Vertreter, der wohl am ehesten für das Fortbestehen qualitativer, großer Rockmusik sorgen wird: Josh Homme. Von ihm ließ Pop sich Musik auf den sehnigen Leib schneidern, wie es einst – genau – Bowie getan hatte. Doch Homme kennt sich glücklicherweise mit großen Fußstapfen aus, wie er als Teil der  Supergroup Them Crooked Vultures 2010 bereits beweisen durfte.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Dort stand er – als möglicherweise am wenigsten prominenter Teilhaber – jedoch im Zentrum der Musik, während er hier ganz klar als Co-Star fungiert. Sein Stil ist unverkennbar, seine Stimme greift wiederholt stützend unter die Arme, doch die Kompositionen sind um Pop herum gebaut worden. Teils klingt das wie eine logische Fortsetzung des ohnehin schon melodiöseren, beruhigten Stils, den Homme auf dem aktuellen Queens Of The Stone Age Album „… Like Clockwork“ etabliert hatte, oft wagt er sich jedoch auch an exzentrische Ideen wie die Western-Absurdität „Vultures“.

Der Song greift zudem eines der zentralen Themen des Albums auf: den nahenden, unausweichlichen Tod. Zu einer zunehmend hektischer aufspielenden Gitarre betrachtet Pop paranoid die Geier am Wegesrand, bis schließlich das gesamte Instrumental kollabiert und der Sänger atemlos zurückbleibt. Noch deutlicher greift er das Thema im getragenen „American Valhalla“ auf, das ironischerweise mit einer Vibrafonmelodie auf „China Girl“ zu verweisen scheint. Pop zeichnet sich hier als Charakter, der nach seinem Platz in der Ahnenhalle amerikanischer Legenden sucht, was glücklicherweise nicht halb so peinlich klingt, wie es sich vielleicht liest.

Die Vergangenheit verhandelt derweil „German Days“, ein dekadenter Hardrocker, der wie eine trotzige Antwort auf Bowies sentimentales „Where Are We Now?“ wirkt. Von Kapitulation hält Pop ohnehin nicht viel, trotz der allgegenwärtigen Todessymbolik, das verraten alleine schon die zahlreichen hysterischen Anfälle (etwa mitten im lässigen „In The Lobby“) sowie die abgetakelte Lederjackencoolness des Covers. Zur Sicherheit stellt der fordernde Opener „Break Into Your Heart“ die Vitalität noch mal unter Beweis, indem Pop sich potent und bedrohlich wie eh und je gibt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

„Post Pop Depression“ lebt von dieser Dualität aus nostalgischem Blick zurück und energischem Lebenszeichen, würdevollem Vermächtnis und plumper Anmache, aus Bowie-Imitation in der Stimme und derbem Stoner-Bass als Unterlage. „Sunday“ bringt diesen formalen Widerspruch besonders gekonnt auf den Punkt: Der Song an sich ist ein wunderbarer Bastard aus Rock, Disco und Funk, mit einem raunzigen Iggy Pop und verführerischem Frauenchor am Straßenrand, der sich gegen Ende überraschend in einen großen, von Streichern und Bläsern zelebrierten, wunderschönen Abgesang verwandelt.

Neben diesen gezielt eingesetzten Effekten ist es natürlich die Band, neben Homme bestehend aus den kaum weniger prominenten Matt Helders (Arctic Monkeys) und Dean Fertita (The Dead Weather, QOTSA), die dafür sorgt, dass die Songs so drahtig und agil klingen, wie Pop immer noch aussieht. Wie viel Energie noch in ihm steckt, darf dieser spätestens im abschließenden „Paraguay“ unter Beweis stellen: Während der Rest der Band einen regulären, groovenden QOTSA-Track spielt, monologisiert Pop sich zusehends in Rage, es geht um das digitale Zeitalter und Laptops und den ganzen Scheiß, und eigentlich müsste man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und weinen ob dieses reaktionären, vollkommen an der Sache vorbeigehenden Gesabbels, aber Herrgott: Es funktioniert eben, ebenso wie die ganze Platte funktioniert, obwohl man es nach dem ganzen Promo-Brimborium schon fast nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Kurz vor Schluss noch eine rasche Anmerkung: Da ich innerhalb der Rubrik „Album der Woche“ – logischerweise – ausnahmslos Platten auszeichne, die ich für mindestens gut befinde, sind mir die Noten in 0,5er Schritten zu eng gesteckt; es bleibt zu wenig Raum für Nuancen und feine Unterschiede. Daher zähle ich ab jetzt in 0,1er Schritten, was folgende Note ermöglicht:

8,8/10

„Post Pop Depression“ erscheint am 18.03. via Caroline auf Platte, CD und digital.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

UNTERSTÜTZEN

Liebe Leser*innen und Fans, wir brauchen Eure Unterstützung! Hier erfahrt Ihr, wie Ihr uns unterstützen könnt.

FOLGT UNS

Beliebt