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„2017 gibt’s kein neues Album“ – Beach Slang im Interview

Stets im gleichen Outfit unterwegs: Sänger James Alex von Beach Slang (2.v.l.)

James Alex, Sänger und Gitarrist von Beach Slang, ist ein liebenswerter Wuschelkopf, den man stets mit dem gleichen Outfit auf Bühnen und Fotos sieht. Er ist mittlerweile über 40 Jahre alt, singt trotzdem hauptsächlich über Teenager-Feelings und fordert permanent in seinen Texten auf, laut, jung und wild zu sein. Der Sound von Beach Slang ist nichts sonderlich neu oder innovativ, er wirkt eher vertraut. Wahrscheinlich liegt das Erfolgsrezept der Band in der Mischung aus Teenage-Texten und dem eher seicht angelegtem nostalgischen Punkrock, der melodiös in den 90ern angesiedelt werden kann. Deshalb verwundert es auch nicht, dass auf dem Konzert im Hamburger Molotow der eine oder andere Ü40-Typ abhängt und mächtig Spaß versprüht. Von Philadelphia aus mauserten sie sich seit 2014 vom Geheimtipp zur Szenegröße, in Deutschland werden sie spätestens seit ihrem Erstling The Things We Do To Find People Who Feel Like Us von 2015 kräftig gefeiert. James ist ein witziger, nachdenklicher und zugleich auskunftsfreudiger Mensch, ein Romantiker und gleichzeitig Idealist. Im Vorfeld ihres Konzerts trafen wir ihn zum Gespräch über die Liebe zur Musik, den Mitgliederwechseln vom vergangenen Jahr und neue musikalische Pläne. Als die letzte Frage zu seiner Vorstellung über Musik unter Donald Trump fiel, setzte er zu einem fast vier-minütigen Monolog an.

Ich habe Euch zum ersten Mal vor einem guten Jahr im Hafenklang gesehen. Zwischendrin hast Du dem Publikum angeboten, nach dem Konzert mit Euch zusammen Party zu machen. Kannst Du Dich noch erinnern, was in der Nacht passiert ist?

(lacht) Ich kann mich noch gut dran erinnern, weil ein guter Kumpel von mir aus Los Angeles auch da war. Es war verrückt und großartig. Im Keller vom Hafenklang konnten wir pennen, also mussten wir nicht noch irgendwohin zum Hotel und stattdessen einfach trinken und feiern. Ich kann mich noch dran erinnern, dass ich sehr viel getrunken und getanzt habe, weil ich nach den Shows oft Bock auf Tanzen habe (lacht).

Ich habe am Merchstand ein Gespräch mitbekommen, dass eine Eurer EPs für 10 Euro angeboten wurde und man im Internet locker 75 Euro dafür bezahlen würde.

Wow, das ist verrückt! Kauft sie doch einfach hier für 10 Euro (lacht)

Fühlt sich das nicht ein bisschen nach Sellout an? Oder findest Du es ok, so viel Geld für eine Beach Slang EP auszugeben?

Es ist absolut verrückt. Aber wir verkaufen sie ja nicht für diesen Preis, also betreiben wir zumindest keinen Sellout (lacht) Ich weiß nicht wer solche Preise verlangt und auch nicht, wer so viel dafür bezahlen würde. Es ist doch verfügbar! Das Label bringt sie doch raus. Solche Preise waren mir vorher nicht bewusst.

Du bist 1994 Weston beigetreten. Deine erste Band?

Offiziell ja. Ich hab vorher schon immer mal dies und das gemacht, mit Kumpels aus der Schule in irgendeinem Keller. Aber es war nie so ernst wie mit Weston. Wir haben viele Shows gespielt, Alben produziert.

Wie alt warst Du damals?

Am Ende meiner Teenagerzeit würde ich grob schätzen.

Mr. Auskunftsfreundig: James Alex. (Foto: Daniel Hölzer)

Was hat Dich überhaupt zur Musik gebracht?

Ich habe schon immer geschrieben, denn ich wollte einfach schon immer Schriftsteller werden. Als Kind habe ich Gedichte und dumme Geschichten geschrieben. Dann habe ich The Who gesehen und wurde umgehauen. Ich fand es so cool, wie sie ihre Gitarren bearbeitet haben. Ich hatte einen Cousin, der Gitarre spielte. Er zeigte mir Rock ’n“˜ Roll ain“™t noise pollution von AC/DC und ein paar Ramones-Songs. Ich fand mit der Gitarre ein Instrument, das ich ziemlich schnell beherrscht habe und mit dem ich mich identifizieren konnte. Für einen Außenseiter habe ich mich mit der Gitarre in der Hand ziemlich cool gefunden.

Beach Slang hat 2016 zwei seiner Mitglieder verloren“¦

(lacht) Ja, es war ein komisches Jahr. Beide wurden, naja, offiziell gefeuert. Aus verschiedenen Gründen, die nachvollziehbar waren. Sonst wäre die Band auch daran zerbrochen. 2016 hat Beach Slang auf eine Art Ballast abgeworfen, 2017 wird hoffentlich ruhiger. Zumindest so ruhig, wie Rock and Roll sein kann.

Hat es auf die Band einen positiven Effekt gehabt?

Auf jeden Fall. Für eine ziemlich lange Zeit haben wir uns selbst etwas eingeredet, aber die Chemie zwischen uns war spürbar komisch. Es fühlte sich an, als würden wir ein Pflaster auf ein gebrochenes Bein kleben. Das mussten wir reparieren. So war es beim ersten Rausschmiss. Der zweite war eher unvorhersehbar. Ziemlich verrückte Umstände. [Anm. d. Red.: Gitarrist Ruben Gallego verließ die Band im Oktober 2016, weil ihm sexueller Missbrauch vorgeworfen wird] Aber am Ende des Tages war die Veränderung gut. Für die Band für diese Tour gab es zwei Kriterien. Erstmal abchecken, ob der Mensch cool ist. Das war mir am Wichtigsten. Dann erst fragten wir: „Kannst Du spielen?“ (lachen) Wir sind sehr froh, weil wir außergewöhnliche Menschen und super Musiker an Land gezogen haben. Die Tour dauert schon fünf Wochen und ist großartig, ich hoffe das geht in Zukunft so weiter.

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Wie fühlst Du Dich, wenn Beach Slang in den Medien ist, aber gar nicht die Musik Thema ist?

Es ist ziemlich schade! Abgesehen von meiner Familie ist diese Band das einzige, was mir wichtig ist. Ich nehme es mit in den Schlaf, obwohl mich mein Umfeld eher beruhigen will, weil trotzdem über die Band gesprochen wird. Aber eben nicht um unsere Arbeit. Das ist aber das, was ich aus meinem Leben hinterlassen will, bis ich aufhöre zu atmen. Wenn die Presse eher übers Drama reden will, nervt mich das. Ich will lieber über die Musik und die Shows und all das sprechen. Aber ich glaube, jetzt bin ich durch damit. Am Ende des Tages bin ich froh, wenn überhaupt jemand mit mir reden will. Dann gerne über meine Arbeit. (lacht)

Ok, dann lass uns über die Arbeit reden. (lachen) Du singst oft darüber, jung, laut und wild zu sein. Auch über Teenager-Zeug. Singst Du über Deine Vergangenheit oder gibt es da eine empathische Verbindung zur aktuellen Generation?

Ich glaube, es ist ein Mix aus beidem. Vieles ist reflektierend. Auf The Things We Do To Find People Who Feel Like Us singe ich viel über meine Jugend und den Weg, den ich genommen habe, um jetzt hier zu sein. Meine ganze Jugend lang bin ich zu Konzerten gegangen, hab selber Fanzines gemacht und es mir im Punkrock gemütlich gemacht. Eigentlich ist mein ganzes Leben so. Es fühlt sich für mich auch wie ein Fest an, diese Erinnerung Revue passieren zu lassen. Außerdem bedeutet Rock and Roll für mich, überhaupt nicht erwachsen werden zu müssen. Ich leide sehr unter einem Peter-Pan-Komplex (lachen). Ich wurde mal ein erwachsener Teenager genannt, was ich sehr gefeiert habe. So fühlt es sich auch an. Wenn Du Deinen Highschool-Abschluss in der Tasche hast, steigen auf einmal die Erwartungen in den Himmel. Man sagt Dir, hör auf mit der Gitarre, werd erwachsen und seriös. Das hab ich aber nie unterschrieben. Und irgendwie will ich auch in der Musik vermitteln, dass man keine Kompromisse eingehen muss nur weil man älter wird, da man sonst die Dinge vernachlässigt, die man liebt. Romantische Vorstellung, ich weiß. Aber ich möchte wenn ich 80 oder 90 bin, mich nicht fragen, warum ich mich nicht damals getraut habe, die und die Entscheidung zu treffen.

Würdest Du heutzutage gerne Teenager sein?

Wahrscheinlich nicht. Ich bin froh, da raus zu sein. Um fair zu sein: Ich glaube, ich romantisiere viel und liebe eher das Idealbild des Teenager-Seins. Sich das erste Mal frei fühlen, weil der Führerschein in der Tasche ist. Ich konnte Roadtrips machen oder Konzerte besuchen und war dabei nicht von meiner Familie oder Freunden mit Autos abhängig. Oder das erste Mal verliebt sein, auf eine Party gehen, mit jemanden rum machen, sowas. Diese ersten Male sind natürlich super. Aber nochmal 16 oder 17 sein, da würde ich sofort flüchten wollen (lacht).

Aber was ist zum Beispiel mit den Möglichkeiten von damals und heute, Musik zu entdecken?

Klar, damals war es völlig anders, neue Musik zu entdecken. Aber es war auch cool, in Plattenläden zu gehen und blind zu kaufen. Oder ein Mixtape von Freunden zu kriegen, den Mailorder im Briefkasten zu finden und mir etliche Reviews durchzulesen. Vielleicht romantisiere ich hier wieder. Das war irgendwie ehrlich. Heutzutage ist die Verfügbarkeit von Musik natürlich großartig. Aber der Wert geht verloren, weil Du einfach zur nächsten Band skippen kannst und dadurch oftmals nicht tiefer eintauchst. Das vermisse ich, so viel Zeit in eine Platte zu investieren und dann erst zu sagen, sie ist gut oder nicht.

Klar, das vermisse ich auch. Einmal habe ich mir eine neue Platte aus den USA bestellt und musste 4 Wochen warten. Währenddessen habe ich mich selbst dazu gezwungen, die Platte nicht vorab online anzuhören. Das war ein großartiges Gefühl, die Platte im Briefkasten zu finden. Aber auch hart, weil ich anders aufgewachsen bin.

Es gibt diese Theorie aus der Psychologie, ich glaube über den Nutzen- und Belohnungsansatz. Und genau das ist es. Darauf zu warten und es deshalb mehr wertzuschätzen. Da ist was Wahres dran. Außerdem liebe ich immer noch die Alben von damals, die ich so intensiv gehört habe. Ich kann über jede Platte eine Geschichte erzählen, wie ich sie entdeckt habe.

Du meintest mal, Euer erstes Album waren sowas wie Zwei-Minuten-Kurzgeschichten, das zweite Album mehr wie Gespräche unter Menschen. Wie könnte das dritte Album dann sein?

Ja Mann, darüber denke ich ziemlich viel nach. Ich hab schon ein bisschen neues Zeug geschrieben, aber noch nichts Spruchreifes. Aber ich weiß noch nicht, wo es hingehen soll. Die ersten beiden Alben habe ich aus einer anderen Sichtweise heraus geschrieben, aber sie hatten beide ein lineares Gefühl in sich. (überlegt) Aber ich frage mich, ob und wie sehr ich mich mit dem dritten Album entwickeln werde. Ich könnte es wie die Ramones machen, deren Zeug eigentlich immer ähnlich klang (lacht). Oder will ich versuchen, mehr den Weg der Replacements einzuschlagen, meiner Lieblingsband? Du konntest immer eine Entwicklung sehen, vor allem im Songwriting. Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich es anstelle. Aber ich denke fast ununterbrochen darüber nach (lacht) Als Kind dachte ich immer, dass es eine sehr mutige Entscheidung ist, als Band einen anderen Weg einzuschlagen. Ich habe nicht kapiert, dass Veränderung passieren muss. Ich habe immer über Beach Slang gesagt, dass die Band und die Musik ehrlich ist. Daher wird es auch Veränderung geben. Ich hoffe, die Leute bleiben trotzdem dran, wenn wir neue Wege gehen sollten. Wir bringen 2017 kein neues Album raus, vielleicht noch ein Mixtape. 2018 vielleicht.

Wann findest Du überhaupt die Zeit, Songs zu schreiben, wenn Ihr ständig auf Tour seid?

Haha, genau! (lacht) In Momenten wie vorhin. Wenn ich vor Shows alleine bin und an der Gitarre fummle. Ich muss auf jeden Fall lernen, auf Tour Songs schreiben zu können (lacht)

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Meine letzte Frage stelle ich in letzter Zeit gerne an amerikanische Musiker. Es geht um Donald Trump.

Oh ja! (lacht)

Was denkst Du, wie sich die Musik unter ihm ändern wird?

Ich glaube, sie wird wütender und leidenschaftlicher. Wir werden durch Songs wachgerüttelt, politische Musik wird ein großes Comeback in Amerika feiern. Wir konnten uns glücklich schätzen, Barack Obama zu haben. Klar, er war nicht perfekt, aber er war ein sehr würdiger Vertreter meines Landes. Da konnten wir uns zurücklehnen. Jetzt ist uns der Präsident peinlich, wir sind schockiert und suchen Wege, diesen Typen aus dem Amt zu schmeißen. Es gibt seit seinem Amtsbeginn jeden Tag Proteste. Nachdem er gewählt wurde, habe ich einen Artikel gelesen. Es ging um die Musik in den 80er Jahren, wie sie sich durch Ronald Reagan politisiert hat und so viele geniale Punk- und Hardcorealben entstanden sind. Das wird bestimmt auch bei Donald Trump passieren. Ich habe auch schon überlegt, ein politisches Konzeptalbum zu schreiben. Haha, nein, das würde ich nie machen (lachen) Aber ich sehe Freunde von mir, die nie politisch waren und auf einmal hellwach sind und protestieren. Wir haben das natürlich nicht so richtig kommen sehen. Diese Gedanken kamen uns in den vergangenen acht Jahren nicht. Dann kommt Donald Trump und zerstört diese Komfortzone. Mal sehen, wo es hinführt. Ich habe viele Leute gesehen, die aufgewacht sind. Ich bin auf ihre musikalische Reaktion gespannt.

Dann hoffen wir wieder auf gute Zeiten.

Ja total, irgendwie muss man ja etwas Positives aus dieser Scheiße daheim ziehen (lachen). Verrückt ist, dass wir am Tag der Amtseinführung die Tour starteten. Wir haben die ganze Zeit gehofft, dass er wieder weg ist, wenn wir wieder heim fliegen. Dann würden wir seine Präsidentschaft nur aus der Ferne erleben. Aber wir spielen nur noch heute und morgen, also wird daraus wohl nichts (lacht) Deswegen hoffe ich so sehr, dass diese Reagan-Ära sich zumindest musikalisch wiederholt. Ich hoffe einfach nur, dass er nicht die ganze verdammte Welt zerstört. Es ist verrückt anzusehen, dass so ein Typ diese Macht hat. Ich kann mir noch nicht mal vorstellen, dass er wiedergewählt wird, wenn er überhaupt vier Jahre im Amt überlebt. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass er überhaupt gewählt wird. Ich habe die Wahl mit Freunden geguckt, dieser Tag war so surreal. Bei jedem gewonnenen Bundesstaat redeten wir uns ein, dass er nie im Leben die ganze Wahl gewinnt. Als es feststand, sagte niemand etwas. Wir waren schockiert. Aber wenn wir hier einen guten Schlusssatz finden müssen, würde ich sagen: Es ist schön, dass Stimmen wieder erhört werden. Wir sind zu bequem geworden. Es fühlt sich ein bisschen wie in den 60ern an, als man wirklich dachte, dass man selbst Veränderung herbeirufen kann, weil man seine Stimme erhebt. Bernie Sanders hat dieses Gefühl auch vermittelt und ich finde es sehr schade, dass seine Stimme so verstummt ist. Er hat den Menschen etwas gegeben, das sie lange nicht mehr hatten. Aber er redet darüber, 2020 anzutreten. Wir drücken die Daumen (lacht) Diese Frage wurde mir jetzt während der Tour schon öfter gestellt. Und ich quassel dann immer am meisten. Also danke fürs Zuhören (lachen)

 

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Erik
Erikhttp://www.erik-kluegling.com
Musik-Enthusiast, Popkultur-Suchti, 89er Jahrgang, Vinylsammler

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