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Testspiel jagt Polarlichter auf Island

Ich habe mir einen Traum erfüllt und bin mit ein paar Freunden für ein Wochenende nach Island gereist, um dort Polarlichter zu suchen. Mit viel Glück haben wir sie tatsächlich auch gefunden. Das war so aufregend und überwältigend schön, dass ich davon berichten und ein paar Bilder zeigen muss. Am Ende meines Reiseberichts gebe ich noch ein paar Tipps zur Polarlichter-Fotografie und Angaben zu den Kosten für so einen Trip.

Auf Island lassen sich Polarlichter von September bis Mitte März fast überall beobachten. Die Wahrscheinlichkeit auf Aurora borealis, wie das Phänomen in der Fachsprache heißt, zu treffen, steigt jedoch nicht unbedingt an, wenn man sich nur für ein Wochenende auf der Insel aufhält, denn schließlich sollte der Himmel wolkenfrei und möglichst wenig Mond am Himmel zu sehen sein. Dennoch habe ich Ende letzten Jahres völlig spontan einen günstigen Flug über ein Wochenende nach Island gebucht, mit dem Ziel Mitte März dort auf die sagenumwobenen Nordlichter zu treffen.

Von meinem ersten Island-Trip vor 4 Jahren wusste ich, dass man mit dem Mietwagen vom Flughafen in Keflavík in knapp 4 Stunden zum Berg Kirkjufell im Norden der Halbinsel Snæfellsnes gelangt. Der Berg und die Umgebung am 64. Breitengrad, die man auch aus „Game Of Thrones“ kennt, liegt auf der Strecke zahlreicher Nordlichter-Touren, die von der isländischen Hauptstadt Reykjavík aus starten. Zudem ist der nahe gelegene Snæfellsjökull-Nationalpark mit dem Snæfellsjökull Gletscher in Westisland hervorragend für einen Wochenendtrip geeignet. Der Mietwagen und ein Hostel mit dem schönen Namen The Freezers Hostel im Fischerdorf Rif in der Nähe des Bergs waren ebenso schnell wie der Flug gebucht.

Am Freitag, dem 16. März um 11:30 Uhr hoben wir endlich vom Fughafen Berlin-Tegel in Richtung Island ab. Die Aufregung und Spannung in den Tagen davor war so groß wie die Wettervorhersage schlecht zwar. Seit Tagen regnete es in der Region und der Regen sollte das ganze Wochenende anhalten. Regen bedeuten Wolken am Himmel, viele Wolken und die Wolkenabdeckung laut der „Polarlicht-Vorhersage“-App (Android/iOS) sagte Werte zwischen 80 und 90 Prozent vorher. Die Wettervorhersage war also alles andere als gut.
Gut war jedoch der sogenannte KP-Wert den die App für das Wochenende vorhersagte. Der KP-Wert in ein Index für die Schwere des geomagnetischen Sturms und ein Gradmesser für eventuelle Polarlichterscheinungen. Je höher der Wert, desto höher die Wahrscheinlichkeit auf Polarlichter am Himmel. Er schwankt zwischen 0 (minimal) und 9 (extrem). Laut App lag der Wert an diesem Wochenende bei sehr ordentlichen 5. Ich betete förmlich darum, wenigstens eine sternenklare Nacht auf Island zu haben.

Als wir gegen 16 Uhr mit unseren Mietwagen unsere Tour nach Rif starteten, zeigte die Wetterapp zwar immer noch Regen an, aber 245 km entfernt am Flughafen war der Himmel zumindest stellenweise wolkenfrei und es regnete nicht. Die Hoffnung war da und auf der 4 Stunden langen Fahrt wollte das Wetter einfach nicht schlechter werden. Im Gegenteil wir erlebten sogar einen ordentlichen Sonnenuntergang während der Fahrt. Zwar hingen hier und da ein paar Wolken in den Bergen, aber als wir um 20 Uhr das Hostel erreichten war der Himmel nahezu wolkenfrei und für 23 Uhr wurde ein KP-Wert von 7 vorhergesagt. Das könnte was werden, dachten wir, ohne auch nur im Ansatz zu erahnen, welch Schauspiel uns ein paar Stunden später erwarten würde.

Um 21 Uhr, wir hatten gerade etwas gegessen und unser Gepäck im Schlafraum verstaut, rief einer der anderen Gäste, dass die Lichter da sind, direkt vor dem Haus. Wir eilten auf den Parkplatz vor dem Haus und die mehr als vier Stunden lange und unvergessliche Lichtshow am Himmel begann. Direkt hinter einem kleinen Hügel hinter dem Hostel tanzten ein paar kleine und grüne Wirbel, die uns einen ersten Vorgeschmack und mir eine erste Gänsehaut lieferten. Unsere Jagd nach den Polarlichtern begann, denn wir wollten die Lichter möglichst von einem dunklen Standpunkt aus sehen, den wir uns sehr erst suchen mussten. Schnell und voller Vorfreude zogen wir uns warm an, ich überprüfte ein letztes Mal mein Kameraequipment und los ging die Tour in Richtung Kirkjufell.

Kaum aus dem Ort raus, mussten wir jedoch anhalten. An verschiedenen Stellen am Himmel war nun aus einiger Entfernung das grüne Leuchten am Himmel zu sehen und wir mussten das jetzt sehen. Wir wussten ja nicht wie lange die Show noch andauern würde. Nachher verpassen wir etwas. Mit zittrigen Händen baute ich mein Stativ auf und richtete das Objektiv in Richtung Meer und Polarlichtern aus und fokussierte gegen unendlich. Der Schuss war quasi random, weil ich natürlich nichts bei der Dunkelheit durch den Sucher sah. Das was ich dann wenige Sekunden später auf dem Display meiner Kamera sah, raubte mir zum 1. Mal an diesem Abend den Atem. Wenige Stunden später landet das Bild quasi unbearbeitet und direkt von der Speicherkarte auf Instagram.

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Nach ein paar Minuten steigen wir wieder ins Auto und fahren weiter. Wir suchen einen Platz an dem wir den Lichtern noch näher sind und von wo aus wir sie noch besser beobachten können. Etwa 5 Kilometer vor dem Berg Kirkjufell sehen wir ein paar Autos nahe am Strand stehen. Auch ein paar Fotografen mit Kopflichtern und Stativen können wir erkennen. Aus Gründen, denn eine bizarre Nordlichter Formationen zeichneten sich über dem Wasser nicht so weit vom Strand ab. Fast war es so, als bildeten die Lichter eine von grünen Schnee überzogene Gebirgskette, die sich laufend änderte. Etwa eine Stunde verweilten wir an dem Spot an dem ich auch zahlreiche Fotos machte. Das Fotografieren erwies sich als noch schwieriger als erwartet. Vor lauter Aufgeregtheit hatte ich vergessen, dass meine Kamera einen virtuellen Horizont besaß. Und da mein einfaches Reisestativ auch keine Wasserwaage (Libelle) besitzt, war die Kamera an jedem neuen Standpunkt zunächst falsch ausgerichtet, und ich musste sie nach den geschossenen Bildern nach Gefühl und ohne Hilfsmittel ausrichten. Ein weiterer Nachtfotografie-Anfängerfehler war, dass ich keine separate Taschenlampe oder besser noch ein Stirnlicht wie die anderen Fotografen dabeihatten. Nahezu alle ordentlichen Smartphones haben inzwischen eine Taschenlampen-Funktion/App an Board, aber damit hat man halt nicht beide Hände frei bzw. lässt sich so ein Smartphone auch ein einfach schlechter bedienen. Egal, ich denke, ich habe dennoch ein paar brauchbare Aufnahmen mit nach Hause gebracht.

Wir bereits erwähnt, verbrachten wir etwa eine Stunde an dem Spot, bevor wir weiter zum Kirkjufell führen. Diesen Spot wollten wir unbedingt noch mitnehmen. Dort angekommen stellten wir sogleich fest, dass der Spot ein richtiger Hotspot war. Wir wussten das der Berg und der nahe gelegene Wasserfall ein beliebtes Fotomotiv war, aber mit so vielen Menschen hatten nicht gerechnet. Es wimmelte nur so von Fotografen. Etwa 50 Personen liefen umher, fotografierten, leuchteten mit ihren Lampen, kamen vom Wasserfall zurück und kamen wie wir gerade mit dem Auto an. Das war alles andere als ein ruhiger Spot, aber wenn man schon einmal da ist, will man den Berg mit dem Wasserfall auch mal selbst gesehen haben. Wir gehen über die Brücke zum etwas höher gelegenen Wasserfall und ich mache ein paar Aufnahmen. Doch die Bilder sind mir zu kitschig. Wasserfall, Berg und Polarlichter sind einfach zu viel. Hinzu kommen bei diesen Aufnahmen störenden Auto-Lichtstreifen und die vielen Lichter der anderen Fotografen. Mir vergeht die Lust, obwohl die Polarlichter am Berg eigentlich schon ganz cool aussehen, aber der Rummel ist mir und den anderen etwas zu viel.

Wir suchen uns ein Plätzchen etwas abseits des Trubels, um ein Gruppenfoto zu machen, als sich plötzlich eine sichelförmige Polarlicht-Formation vom gegenüberliegenden Ort Grundarfjörður hin zum Berg in unserem Rücken und an dessen Fuß wir stehen bildet. Auf einmal sind die Polarlichter da. Und wie sie da waren und wir stehen direkt darunter. Was sich in den nächsten Minuten über unseren Köpfen abspielt ist schier unglaublich. Nicht grünlich sondern richtig hell und grün schlängeln sich die Lichter über den wolkenlosen Himmel, treffen aufeinander und bilden immer wieder wilde Formationen. Mehrfach höre ich mich sagen, wie ich unglaublich schön ich das gerade alles finde. Ein Tränchen vor lauter Ehrfurcht vor der Schönheit der Natur muss ich auch verdrücken. Wir können uns Glück kaum fassen. Vereinzelt hören wir, wie andere Zeugen des Spektakels um uns herum mit uns jubeln. Das Fotografieren stelle ich quasi ein, weil ich den Moment genießen muss und mir lieber die Eindrücke auf die Netzhaut als auf den Sensor brennen lasse.

Bis etwa 00:00 Uhr ging die bis dato beste und natürliche Lichtshow unseres Lebens, die wir erst den darauffolgenden Tagen verarbeiten, als wir im Dauerregen aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf Island unterwegs sind. Wir hatten so ein Glück!

Tipps Polarlichter zu fotografieren

Ich bin alles andere als ein ausgewiesener Polarlicht-Foto-Profi. Netto habe an dem Abend vielleicht zwei Stunden Polarlichter fotografiert, aber die folgenden Tipps zur Ausrüstung und zur Praxis kann ich auch ohne Erfahrung mit euch teilen.

Grundsätzlich solltet ihr mit Langzeitbelichtung und mit den Funktionen euer Kamera wirklich gut vertraut sein.

Nur mit Stativ

Ohne Stativ geht es nicht. Am besten besorgt ihr euch eins mit ausreichend Wasserwaagen, sonst habt ihr in der Dunkelheit ähnlich viel Stress wie ich. Wichtig ist auch, dass eure Kamera mit eurem Objektiv(en) auch bei Wind und Wetter stabil auf dem Stativ steht. Stative aus Carbon sind deutlich stabiler und leichter, aber kosten auch mehr. Viele Stative haben an der Mittelsäule auch einen Haken, an dem man ein Gewicht, etwa einen Rucksack, für zusätzliche Stabilität befestigen kannst.
Am besten lasst ihr euch im Fachgeschäft beraten. Ich mache das demnächst auch.

Nur mit Fernauslöser oder Selbstauslöser mit Vorlaufzeit

Fernauslöser wie Funkauslöser, Kabelauslöser oder mittels App sind Pflicht. Ein Kabelauslöser hat den Vorteil, dass er unabhängig von WLAN-Netz, Infrarot und ohne Batterien funktioniert. Ich habe einfach den internen Selbstauslöser mit ein paar Sekunden Vorlaufzeit genutzt. Profis setzen vermutlich aus Timer.

Das richtige Objektiv für Polarlichter

Ein lichtempfindliches Weitwinkelobjektiv kann nicht schaden aber ist vielleicht auch kein Muss. Grundsätzlich gilt, dass je lichtempfindlicher euer Objektiv ist, desto kürzere Belichtungszeiten bzw. desto geringere ISO-Werte (= rauschärmere Fotos) könnt ihr wählen.

Bei der Wahl des Objektivs für meine digitale Vollformatkamera wollte ich auf meiner Reise keine Kompromisse eingehen. Da ich ein großer Fan der Art Objektive von Sigma bin, habe ich mir von Sigma das SIGMA 14mm F1,8 DG HSM | Art geliehen. Das Highlight des Objektivs ist seine unglaublich große Blendenöffnung, die sehr viel Licht passieren lässt. Der Vorteil: Wer den nächtlichen Sternenhimmel festhalten möchte, ist ab sofort nicht mehr auf eine hohe ISO Empfindlichkeit an seiner Kamera angewiesen, wodurch das bislang zwangsläufig entstehende, störende Bildrauschen minimiert wird. Mein Dank an dieser Stelle geht an das Team von Sigma Deutschland, das mir das Objektiv für eine Woche geliehen hat.

Belichtung, ISO & Belichtungszeit

Polarlichter werden mit Offenblende (bei mir 1,8 bei 14mm) fotografiert. Die Belichtungszeit lag bei mir an dem Abend zwischen 8 und 13 Sekunden bei ISO 1000. Die Belichtungszeit habe ich nach dem try and error Prinzip im manuellen Modus bestimmt. Der Belichtungsmesser hat mir ehrlich nicht weitergeholfen.

Fokussieren

Manuell unendlich fokussieren ist das Stichwort. Da es mir nicht gelungen ist, einen besonders hellen Stern am Himmel zu fokussieren und ich auch Taschenlampe zur Hilfe hatte, mit der ich einen Punkt in der Ferne anleuchten konnte (soll wohl funktionieren), bin ich auch hier nach dem try and error Prinzip vorgegangen.

Bekleidung

Warme und wetterfeste Kleidung (lieber mehr als zu wenig), Handschuhe mit denen ihr fotografieren könnt, festes Schuhwerk sowie eine warme Mütze verstehen dürfen bei so einem Ausflug natürlich auch nicht fehlen.

Kosten

Island ist teuer. Ein großes Bier im Restaurant, Hostel oder in einer Bar kostet momentan 1000 ISK (= 8,21) aufwärts. Für einen Burger mit Pommes kann man mit umgerechnet 20 € rechnen. Viel günstiger wird es, wenn sich selbst verpflegt und in Hostels oder Jugendherbergen übernachtet (ca. 35 € je Nacht im Mehrbettzimmer). Ein Wochenendtrip mit Flug, 3 Übernachtungen, Mietwagen, Benzin und Verpflegung lässt sich so bereits für 400 € realisieren. Das ist immer noch viel Geld, aber war in unserem Fall auch eine echte once in a lifetime experience.

Marc
Marchttps://www.testspiel.de
Marc hat Testspiel.de ins Leben gerufen und teilt hier seit 2005 seine Leidenschaft für Musik und das Internet.

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