StartMusikNOS Primavera Sound 2015: So wars beim kleinen Primavera-Schwester-Festival in Porto

NOS Primavera Sound 2015: So wars beim kleinen Primavera-Schwester-Festival in Porto

Bei Primavera denken vermutlich alle an Barcelona, wo seit 2001 das gleichnamige Festival stattfindet. Auch wenn das Line-Up Jahr für Jahr super ist, höre ich immer wieder Stimmen, dass vielen das Festival mittlerweile zu groß ist. Zu weite Wege. Zu oft spielen Bands, die man gerne sehen will, parallel auf einer der acht Bühnen. Ein guter Grund also sich mal das kleine Schwester-Festival in Porto anzuschauen, welches mit vier Bühnen ideutlich kleiner ausfällt.

Mittwoch.

Festivalvortag. Wir laufen durch Porto, um uns langsam zu akklimatisieren. Zum Mittag gibt es das erste kulturelle Highlight: Francesinha. Ein leichter Snack bestehend aus Toast, Kochschinken, Steak und Linguiça-Wurst mit Käse überbacken und Biersoße übergoßen. Mit einem Cholesterin-Spiegel weit über dem empfohlen Grenzwert schlendern wir weiter durch die hügelige Stadt, die seit 2012 das kleine Schwester-Festival zum großen Primavera in Barcelona beherbergt. Am frühen Abend machen wir uns auf den Weg nach Fontainhas, wo ein kostenloses Eröffnungsevent zum Festival stattfindet. Mit ca. 5.000 anderen Besuchern ziehen wir uns die Show des Rappers Regula rein. Wir verstehen zwar kein Wort, aber die Beats sind fett. Die Meute geht mit bis in die hinteren Reihen. Alle Hände hoch! Wir vermuten, dass Regula so etwas wie der portugiesische Marteria ist.

Donnerstag.

Es geht endlich richtig los und zwei der insgesamt vier Festivalbühnen im Parque de la Cidade werden eröffnet. Die grobe Planung steht natürlich längst: Mac Demarco, Interpol, The Juan Maclean und Caribou sind gesetzt. Mal gucken was sich drumherum noch ergibt. Aber erstmal an den Strand, der direkt neben dem Festivalgelände in Matasinhos liegt und sich trotz bewölktem Himmel wunderbar anbietet, um sich die Zeit zu vertreiben“¦ und aus den Augen zu verlieren. Zu Mac Demarco schaffen wir es gerade noch rechtzeitig, bevor der sympathische Kanadier mit seiner Band die Bühne betritt. Der chilliger Slacker Sound macht den Einstieg ins Festival perfekt. Dazu jede Menge Späßchen der Band und Macs üblicher Ausflug ins Publikum, den er sich trotz hörbarer Erkältung nicht nehmen lässt. Eine Runde Sache.

Publikum beim Primavera Festival in Porto

Bei zwei Bühnen im Wechsel erübrigt sich eine Entscheidung zum weiteren Verlauf. Also rüber zu FKA Twigs, deren Show bei uns Fragezeichen auf der Stirn hinterlässt. Die wichtigste Frage bleibt wohl: warum drei Drummer, wenn das auch einer im Halbschlaf schafft. Zum Glück nicht mehr lang bis Interpol spielen. Bei den New Yorkern stimmt dann eigentlich alles. Paul Banks ist einfach eine coole Socke und bis auf die teilweise lieblosen und langweiligen Visuals haben wir nix zu meckern. Musikalisch geht der Abend mit The Juan Maclean und Caribou zu Ende. Für Teile der Crew zu viel Disco, für uns andere ein gelungener Ausklang von Tag 1. Zufrieden verlassen und wir das Festival mit dem Wissen, dass uns noch einige Highlights erwarten.

Freitag.

Nach einem Ausflug ins Künstlerviertel rundum die Rua Miguel Bombarda, sind wir mal wieder später dran als geplant. Viet Cong verpasst. Hätte man ja mal machen können. Egal. Am Gelände angekommen, hören wir in der Ferne José González. Während vermutlich haufenweise Girls schmachtend vor der Bühne stehen, kümmern wir uns um die Nahrungsaufnahme. Die Auswahl ist vielseitig, aber äußerst fleischhaltig.

Pallbearer

Gestärkt und motiviert machen wir uns auf den Weg zu den Replacements, die sich wie wir am nächsten Tag lesen werden, mal wieder aufgelöst haben. Die alten Punkrock-Recken machen ordentlich Druck, spielen die Hits und sind dabei semi-gut gelaunt. Klingt doch nach einer soliden Punkrock-Show, oder nicht? Währendessen volle Hütte im Pitchfork Zelt, wo Sun Kil Moon mit Yasmine Hamdan ein spontanes Cover von Chers „I got you Babe“ zum besten gibt. Trotz großer Textlücken, herrscht eine seelige Stimmung und auch der oft schlecht gelaunte Mark Kozelek ist peacig unterwegs. „Does anyone know, what band is playing during my set overthere? Just kidding“. Kurze Zeit später, selber Ort. Das Zelt hat sich enorm geleert. Feststellung: beim portugiesischen Festivalpublikum funktioniert Singer-Songwriter Kram deutlich besser als Metal, denn als nächstes hauen uns Pallbearer aus Arkansas ihre Doom-Hymnen Ohren. Endlich amtliches Ohrenbluten. Geil. Gut in Stimmung dann jedoch der Dämpfer: Trotz vier Bühnen spielen zur Primetime um Mitternacht nur Anthony and the Johnsons auf der Hauptbühne. Nichts gegen ein wenig Melancholie dann und wann, aber jetzt? Ne. Lieber Zeit vertreiben im Futterbereich. Um halb zwei gewinnen dann Run the Jewels einstimmig die Wahl gegen Jungle und Ariel Pink. Nach drei Songs haben sich Killer Mike und EL-P zusammen mit ihrem DJ Trackstar warm gelaufen und sind ordentlich auf Touren. Köpfe nicken. Hands in the air! Ein wunderbarer Abschluss von einem wunderbaren zweiten Festivaltag.

Samstag.

All Tomorrow’s Party Stage

Wir starten gemütlich auf der Wiese liegend mit Thurston Moore in den Abend. Entspannter kann man ein Konzert kaum gucken. Mal wieder zeigt sich wie großartig sich das Gelände für ein Festival anbietet mit seinen grünen Hängen an deren Füßen die Bühnen stehen und von überall einen guten Blick gewährleisten. Es folgt die persönliche Überraschung des Festivals mit einer Band mit ich mich im Vorfeld höchstens rudimentär auseinandergesetzt habe. Foxygen liefern eine exzessive Show. Zwischendurch leert Sänger Sam France eine halbe Pulle Jameson auf ex. Anerkennendes Nicken rundum. Wir gönnen uns eine kleine Pause und finden uns pünktlich zu Death Cab For Cutie in den vorderen Reihen ein. Die Show ist an sich gut. Sie könnten mehr von den alten Hits spielen, weswegen wir beschließen doch noch einen Blick auf die Mädels von Ex Hex zu werfen. Bester Girl-Power-Rock. Wir werden nicht enttäuscht. Genauso wenig wie von Shellac. Steve Albinis Gitarre am Beckengurt sieht zwar wie immer etwas strange aus, aber ansonsten passt alles.

Shellac

Mittlerweile ist es 2 Uhr und 3 Tage Festival hängen uns ordentlich in den Knochen. Aber wer denkt schon daran nach Hause zu gehen, wenn Ought und Health noch auf dem Programm stehen. Die Kanadier aus Montreal, deren 2014er Album „More Than Any Other Day“ sehr sehr empfehlenswert ist, liefern gut gelaunt und solide ab, bevor uns Health mit brachialer Noise-Gewalt vom Festivalgelände blasen. Als wir die Band am nächsten Tag biertrinkend am Flughafen antreffen, hat sich das Fiepen in den Ohren noch nicht wieder vollkommen gelegt.