StartAlbum der WocheMaeckes - Tilt (Kritik)

Maeckes – Tilt (Kritik)

„Seasons“ von Future Island, „Teen Dream“ von Beach House, „Digital Ash In A Digital Urn“ von Bright Eyes, „Portraits“ von Maribou State, „Overgrown“ von James Blake, „Salad Days“ von Mac DeMarco: All diese Alben listet Maeckes im todtristen „Die Alpen“ zu einer Art Katalog auf, der vermutlich nicht umsonst ohne Hip Hop auskommt. Bevor nun bereits erste zittrige Finger ein ganzes Genre in Schutz nehmen wollen sei vermerkt, dass kein Bashing folgt, sondern die simple Feststellung, dass „Tilt“ noch viel mehr Musik (in jenem diffusen Sinne den Prinz Pi wohl im Sinn hatte, als er sich mit „Beweis dagegen“ von eigens etablierten Qualitätsstandards verabschiedete) liefert, als es bei vorherigen Projekten ohnehin der Fall war. Klar, ab und an bounct ein Beat, ab und an rappt Maeckes, doch all das bestimmt als Genre nicht mehr die Platte, sondern ist eine Quelle unter anderen.

Gemeinsam münden diese nicht in ein groß gedachtes Konzeptalbum, was „Tilt“ jedoch kaum Gewicht raubt und vermutlich gerade deswegen die richtige Entscheidung war. So bleibt Raum, um angesammelte Klänge probeweise zu verbinden, altbekannte Themen ebenso aufzurollen wie akute Beobachtungen zum Thema Identität sowie gemeinsam mit dem mysteriösen Äh, Dings und Tristan Brusch neue Felder zu erschließen. Besonders Letzterer hinterließ seine Spuren auf der Platte, nicht nur, aber besonders deutlich in einem Hang zu organischer Instrumentierung.

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Geblieben ist jedoch der Spaß am Sample, das die Kombination und damit auch den Bruch immer vorsieht. „Urlaubsfotograf“, das möglicherweise persönlichste der vorliegenden Lieder, böte als Erinnerung an den eigenen Vater Platz für Pathos, doch stattdessen liefert Maeckes kryptische Bilder in Form eines unmotivierten Singsang ab. Exakt gegenteilig verhält sich der Zusammenbruch am Ende des niederschmetternden „Kreuz“, das als Liebesgeschichte beginnt und nach ausdauerndem Aufbau so plötzlich wegbricht, dass das Album kurzerhand zum ungleich entspannteren „Wie alle Kippenstummel zwischen den Bahngleisen zusammen“ zurückspringt.

„Tilt“, Symbol für den Kollaps, basiert auf solchen Schleifen, ebenso wie auf abgerissenen Enden, die einer Kapitulation gleich am Ende mancher Songs wie „Atomkraftwerke am Strand“ im Wind flattern. Zweifelsohne ein adäquater Weg, um die Ratlosigkeit angesichts gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Extremsituationen auszudrücken, die hier immer wieder verhandelt werden und nebenbei dem manchmal vielleicht etwas zu aufpolierten Material etwas Dreck mit auf den Weg zu geben. Doch auch hier ist nicht nur Politur, sondern ebenso Synergie gewünscht: „Inneres/Auesseres“ lebt etwa gerade von der Dringlichkeit seiner Gitarren, dem Abreißenden Refrain und der durch den Text transportierten, fragilen Innenansicht.

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Aber klar, es gibt hier auch Pop, gerade, wenn Brusch das Mikrophon übernimmt und ganz oben genannte Referenzen teils nicht mehr allzu weit entfernt sind. „Marie-Byrd-Land“ lehnt sich als sehnsuchtsvoller Schmachtfetzen etwa in Richtung Death Cab For Cutie, während „Irgendniemand“ mit ungewöhnlicher Instrumentierung experimentiert und einen besonders fisteligen Brusch an Bord hat. In Sachen Merkwürdigkeit wird dieser Auftritt jedoch mühelos getoppt von Josef Hader, der sich im phlegmatischen „Kino“ bisweilen ein paar Worte granteln darf.

Mit der Zeit schleicht sich das Gefühl ein, dass Maeckes eben diese Gegenspieler braucht, um seinen eigenen Stil daran zu schärfen, um jene Ideen, die er alleine entwickelt, irgendwie in Form zu bringen. Entweder sind es Menschen, die Remixes für ihn anfertigen, Featuregäste, die eigene Kompetenzen einbringen, oder wie in diesem Fall Produzenten, die den verqueren Gebilden einen bekömmlichen Anstrich verpassen, auf den Maeckes dann unter Umständen wieder ein paar Krakeleien kritzeln darf. Nicht immer entstehen daraus perfekte Stücke, doch darum ging es in diesem Katalog noch nie, und somit glückt auch „Tilt“ wieder als wacklige Alternative zu all dem anderen Krempel zwischen Befindlichkeitspop und zynischem Rap.

8,3/10

„Tilt“ erscheint am 21.10. via Vertigo auf Platte, CD und digital.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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