StartInterviewsIm Interview: Boy. "Es ist wirklich einfach harte Arbeit!"

Im Interview: Boy. „Es ist wirklich einfach harte Arbeit!“

Foto: Debora Mittelstaedt

Am 21.8. erscheint mit „We Were Here“ das zweite Album der Hamburger Band „Boy“. Ich habe Valeska und Sonja zum Interview getroffen. Warum sie nicht den Druck hatten, ein zweites „Little Numbers“ abzuliefern, wie die Arbeit am neuen Album abgelaufen ist und worum es im titelgebenden Stück „We Were Here“ eigentlich geht, erfahrt ihr hier.

Euer erstes Album „Mutual Friends“ ist 2011 erschienen. Und ab da ging es für euch ja ganz schön rund, ihr wart weltweit auf Tour unterwegs. Wie war das für euch, auf einmal mit eurer Musik um die Welt zu touren und einen Erfolg nach dem anderen zu feiern?

Valeska: Das war total krass! Und es kam ständig etwas Neues dazu, was uns total umgehauen hat. Erst mal, dass wir hier so viel spielen konnten, unsere eigenen Touren, die ausverkauft waren, dann kam Europa dazu und dann andere Kontinente – eben USA und Japan.
Sonja: Besonders schön fand ich, dass es so gut lief, dass wir dann auch die ganze Band mitnehmen konnten. Die erste USA hatten wir ja im Trio gemacht – Valeska, ich und unser Gitarrist Deniz. Und dann sind wir für die zweite Tour mit unserer kompletten Crew hingefahren. Das war der Wahnsinn! Eine Band im Nightliner in Amerika auf Tour! Da standen wir dann manchmal und haben gekreischt…

Sind eure Erfahrungen aus den letzten vier Jahren in irgendeiner Weise in das neue Album eingeflossen?

Valeska: Sicherlich! Textlich war uns allerdings wichtig, dass das neue Album sich nicht nur um unsere Zeit auf Tour drehen sollte. Sondern eher um kleine Geschichten, die man erlebt oder Begegnungen oder Gefühle. Und dass es um Themen geht, die uns einfach persönlich beschäftigen oder die mir vielleicht passiert sind oder die ich beobachtet habe. Für mich muss es immer ein persönliches Gefühl oder einen Auslöser geben, damit ich einen Text schreibe. Das sind dann schon meist eigene Geschichten, oder Geschichten aus dem nahen Umfeld. Aber man hat ja immer die Freiheit, Perspektiven auszuwechseln, etwas in eine andere Zeit zu setzen, und die Texte so ein wenig zu codieren. Es sollen ja Songs sein, keine Tagebucheinträge.

Euer Hit „Little Numbers“ war ja ein richtiger Knaller, der in ganz Europa in Radio lief. Hattet ihr beim neuen Album Druck, auch so eine Nummer liefern zu müssen?
Sonja: Zum Glück nicht! Wir haben eine Plattenfirma, die uns tatsächlich nach dem ersten Album klar gemacht haben: „Ihr könnt euch entspannen! Ihr müsst nicht ein zweites „Little Numbers“ oder ein zweites „Mutual Friends“ schreiben.“ Das zu hören war total schön und es hat uns auch entspannt – wir sind nämlich total langsame Schreiber. Es hätte allerdings auch einfach nicht funktioniert. Es war trotzdem sehr beruhigend zu merken, dass wir da eine Plattenfirma haben, die nicht denkt: „Schnell, schnell, was Neues!“ sondern uns als Künstlern die Zeit lässt, ein gutes Ergebnis abzuliefern. Das hat uns total geholfen. Was uns auch noch geholfen hat: Das wir uns total zurückgezogen haben und uns total auf uns besonnen haben, hier in Hamburg zu sein und zu schreiben. Und gar nicht so sehr Boy zu sein, sondern zu schauen: Wohin entwickeln wir uns, was passiert mit der Musik und was sind unsere Themen gerade und was interessiert uns?

Wie sind die neuen Songs entstanden? Habt ihr euch wirklich hingesetzt und gesagt, „so, wir schreiben jetzt was Neues?“ 
Valeska: Ja, genau!
Sonja: So, wie ein Schriftsteller sich hinsetzt und sagt: Ich möchte jetzt ein Buch schreiben.
Valeska: Man stellt sich das vielleicht romantischer vor, als es ist. Aber eigentlich ist es eine ganz klare Aufgabe und ein ganz klares Ziel: Wir wollen ein Album machen. Und das macht man eben nicht so nebenbei.
Sonja: Zumindest nicht wir! (lacht)
Valeska: Ich glaube, für Sonja war es noch extremer, da sie ja die Musik schreibt und dabei ja sehr an ihr Homestudio gebunden ist und dort ihre Tage verbringt, um Musik aufzunehmen. Für mich und die Texte, die ich schreibe, ist es dagegen auch wichtig rauszugehen und zu beobachten und Dinge zu erleben. Trotzdem muss ich dann zu Hause, wenn ich es aufschreibe, eine klare Struktur haben. Es ist wirklich einfach harte Arbeit!

Du schreibst die Texte alleine, Valeska?
Valeska: Ja, genau.
Sonja: Und ich schreibe die Musik.
Valeska: Bei uns ist Musik immer zuerst da. Und inspiriert auch teilweise die Texte, die ich dann schreibe. Ich schaue dann immer: Was ist schon da, in der Musik? Was für ein Gefühl ist das? Und wie kann man das gut in Worte fassen.
Sonja: Für mich ist es manchmal schwierig, komplett ohne Lead-Melodie zu arbeiten. Deshalb singe ich dann manchmal einfach irgendeine Melodie. Um etwas zu haben, um das ich die Akkorde herumbauen kann. Und dann nehme ich die Melodie wieder weg, bevor ich es Valeska schicke. Dann ist es einfach wahnsinnig spannend, was zurückkommt. Es ist jedes Mal total anders, als ich es mir vorgestellt habe. Das ist aber genau das spannende an unserer Zusammenarbeit.

„We were here“ ist der titelgebende Song auf dem Album. Darin heißt es: „We were here, we were here, we were really here!“ Kann man darin auch ein wenig das Erstaunen hören, dass ihr wirklich so weit rumgekommen seid und wirklich an all diesen Orten wart?

Valeska: Nein, überhaupt nicht. Das ist leicht misszuverstehen aber das Lied handelt nicht von uns oder unserer Reise als Band. Der Text zu „We Were Here“ ist enstanden, da gab es die musikalische Idee von Sonja schon. Und ich fand sie super und hab sie dann einige Wochen mit mir rumgetragen. Ich fand, sie hatte so eine schöne positive Energie, und trotzdem schwang etwas Melancholisches mit. Ich war dann in Zürich in einem Dokumentarfilm zum Thema Liebeskummer, den eine Freundin von mir gemacht hat. Und dann bin ich nach Hause gegangen und hab“™ mir so überlegt: Es gibt so viel Kunst aus allen Bereichen zum Thema Liebeskummer und es wird oft der Schmerz beleuchtet oder die Schwere oder die Trauer darüber, dass etwas vorbei ist. Und ich wollte deshalb einen Text schreiben, der eben nicht sagt: „Wie schlimm, dass es vorbei ist!“ sondern eher: „Schön, dass es das gab. Und wie schön, dass wir hier waren zusammen.“ Und: „Wir sind zwar nicht mehr zusammen aber wenn ich an unseren Orten vorbeilaufe dann sehe ich uns trotzdem und trage es für immer in mir.“ Darum geht“™s. „We were here“ – es gab uns. Das ist das Thema des Songs.

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„Fear“ ist ein Lied, das davon handelt, dass jemand die Angst, die er verspürt dahin verjagt „wo der Pfeffer wächst“, wie ihr selbst sagt. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, solch ein Lied zu schreiben? 
Valeska: Da war jemand, der mir sehr nah ist und so eine diffuse Angst hatte, keine Angst vor etwas bestimmtem. Einfach so eine Grundangst. Und es war so die Frage: „Wie können wir zusammen etwas gegen diese Angst tun?“. Natürlich kann ein Lied niemanden heilen. Das Lied war einfach der Versuch, die Angst auch ein wenig losgelöst von der Person zu sehen. So auf die Art: „Du bist mir wichtig. Aber diese Angst, die wollen wir nicht. Und deshalb versuchen wir, sie davonzujagen.“

Das Lied „Into the Wild“ klingt nach einer Flucht aus der zivilisierten Welt. Worum geht es genau?
Valeska: Das Lied ist sehr metaphorisch. Es geht darin um die Frage: Soll ich dem Ruf der Wildnis folgen und etwas neues, unbekanntes kennenlernen? Auch wenn man nicht weiß, ob es vielleicht gefährlich ist und ob es einen wirklich glücklicher macht als das, was man schon kennt. Das heißt der Ort, an dem man sich aufgehoben und zuhause fühlt und wo das Herz eigentlich ist.

Kommt ihr da zu einer Entscheidung?

Valeska: Nein, das bleibt offen. Denn man weiß ja nie, wie es anderswo wäre.
Sonja: Das finde ich auch so gut an dem Song!

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Ihr werdet mit dem Album im September auf Clubtour durch Deutschland und dann im November dann auf Hallentour. Worauf habt ihr mehr Lust? Die Clubs oder die Hallen? 
Sonja: Für uns ist es tatsächlich egal, ob da 20 oder 1000 Leute vor der Bühen stehen. Wir versuchen immer, einen besonderen Moment zu schaffen. Für uns und für das Publikum. Ich finde es allerdings manchmal einfacher, vor vielen Leuten zu spielen. Sodass man das Gefühl hat, „ok, man kann nicht jeden einzelnen erkennen.“. Je kleiner es wird, desto aufgeregter bin ich. Weil man das Gefühl hat, man kann jeden einzelnen angucken und könnte sich theoretisch die Namen merken und dann ist alles so intim und alle hören so gut zu.
Valeska: Das ist echt lustig, weil wir da total unterschiedlich ticken. Ich bin immer total froh, wenn ich mich an einzelnen Gesichtern festhalten kann. Selbst wenn wir in der Freiheit spielen oder im Stadtpark brauche ich so ein bisschen das Gefühl von persönlichem Bezug.

Und was hört ihr selbst am liebsten? Welche Künstler findet ihr aktuell inspirierend?
Valeska: Ich hatte mal eine kurze Phase beim Schreiben, in der ich ganz viel Rage Against The Machine gehört habe. Sonst hören wir auch total gerne Hip Hop – und tanzen dazu auch ganz gerne im Bus. Aber aktuell sind wir gerade auf der Suche nach neuen Bands – und sind total offen für Tipps!

Theresa
Theresa
Exil-Pfälzerin und Journalistin in Hamburg/St. Pauli.

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