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„Ich selber fühle mich immer schon als ein Außenseiter.“ – Telefoninterview mit Ferris MC

Ferris MC (Foto: Authentik Film)

Sascha Reimann aka Ferris MC sorgte mit seinem Ausstieg bei Deichkind für Reaktionen von Trauer bis Entsetzen.
Dass er auch alleine bestehen kann, möchte er mit seinem neuen Album „Wahrscheinlich nie wieder vielleicht“ (VÖ 08.03.2019) beweisen. Das Video zu „Für Deutschland reicht’s“ sorgte schon mal für kontroverse Diskussionen in den sozialen Netzwerken.

Ich habe mit Ferris MC am Rosenmontag telefoniert.

Guten Morgen Ferris, oder soll ich sagen Helau oder Alaaf? Ist Karneval was für Dich?

Nein, Karneval ist überhaupt nicht mein Ding. Das hatte ich 10 Jahre lang mit Deichkind, das reicht.

Freitag ist Release von Deinem neuen Album, bist Du da schon ein bisschen aufgeregt?

Ja, auf jeden Fall. Vor allem stellen wir gerade noch ein Video fertig, das dann auch am 08. releast wird und zwar zu „Fake News“, dem letzten Song des neuen Albums. Das ist die härteste Nummer auf der Platte. Wir schauen dann mal, wie die Leute darauf reagieren. Die Mainstream-Sachen, also z.B. „Für Deutschland reicht’s“ hatte ja ein super Feedback und kam gut an, obwohl ich natürlich immer polarisiere. Aber das ist nichts Neues. Trotz allem hätte ich mir da noch einen größeren kommerziellen Radius gewünscht. Ich hätte gedacht, dass das noch mehr „normale“ Zuhörer anspricht und auch der Humor begriffen wird.

„Für Deutschland reicht’s“ hat ja wirklich die Runde gemacht. Aber vor allem an einigen Kommentaren z.B. auf YouTube hat man feststellen können: Ein paar Leute haben die Aussage einfach nicht verstanden, oder?

Ja, das verstehe wiederum ich nicht so ganz. Mehr Eindeutigkeit hätte ich ja eigentlich nicht bieten können, dadurch dass ich mich selbst augenzwinkernd sehe und auf die Schippe nehme. Aber zum Glück gibt es genügend Leute, die den Song verstanden haben und für die ist der auch gemacht. Die können dann eine Menge Spaß damit haben.

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Hast Du viele Reaktionen von Fans persönlich bekommen, positiv oder negativ?

Ich habe mir diesmal abgewöhnt, die Kommentare komplett durchzulesen. Wenn ich das mache, beeinflusst mich das nämlich, ob bewusst oder unterbewusst, den Fehler wollte ich nicht nochmal machen. Ich werde einfach nur noch mir gerecht werden und versuche nicht mehr, irgendjemandes Erwartungen zu erfüllen.

Gab es irgendeinen speziellen Anlass, dass Du Dich jetzt noch mehr auf Rock und Crossover fokussiert hast, also irgendein Ereignis, bei dem Du entschieden hast, dass Du jetzt erstmal nur noch in diese Richtung gehen willst? Oder hat sich das von selbst entwickelt?

Im Endeffekt hab ich ja immer schon Crossover auf meinen Alben verballert, aber halt nicht so konsequent und nicht über ein komplettes Album so wie jetzt, sondern immer nur vereinzelt. Das „Glück ohne Scherben“-Album 2015 war ja auch schon zum größten Teil viel Rock und auch mit Band, nur dass Rap eben auch präsent war. Deshalb habe ich mir jetzt gesagt, dass ich mal über meinen Schatten springen und einfach all das machen will, was ich bisher noch nicht gemacht habe, also auch mal eine Ballade zu schreiben und noch mehr verschiedene Emotionen anzutriggern. Immer nur diese Wettkampf- und Battleraps mit „Hey, ich bin der Beste, ich hab alles erreicht“ wollte ich diesmal außer Acht lassen. Das habe ich genug ausgeschlachtet, jetzt ist es Zeit, sich mal mit weiteren Themen zu beschäftigen und richtige Songstrukturen aufzubauen.
Diesmal hab ich insgesamt von der anderen Seite gearbeitet. Gerappt habe ich bisher schon genug und ohne Ende, ich trigger jetzt mal die anderen Talente, sofern sie da sind.

Gleich der erste Titel heisst „Allianz der Außenseiter“- hast Du trotz Deines ganzen Fames manchmal immer noch so ein Außenseiter-Gefühl?

Allgemein hat das Außenseiter-Thema bei mir damit zu tun, dass ich mich keiner bestimmten Szene angehörig fühle und ich sowieso denke, dass es keine richtigen Szenen mehr gibt. Irgendwann ist das auseinandergedriftet und es gibt nur noch Bands und Fans und nicht mehr wirklich eine richtige Szene. Ich selber fühle mich immer schon als ein Außenseiter. Das wird auch so bleiben. Ich sehe das eher positiv. Da habe ich mehr Ruhe und weniger Verantwortung.

Wie man sieht bzw hört, kann dabei vor allem ja auch immer was Kreatives herauskommen.

Ja, das stimmt. Da ist das Themenspektrum automatisch viel weiter gesteckt.

„Wahrscheinlich nie wieder vielleicht“ hat dann eher düstere Aspekte: „Ich hab den Grabstein schon bestellt“ klingt nicht gerade nach übermäßiger Lebensfreude. Wie kam es dazu?

Da geht es um das alte Ego, das alte Image und meine Vergangenheit, was ja immer hinter mir herläuft. Es geht dabei nicht um meine Person selbst, sondern um meinen Charakter und meine Kunstfigur. Dass das einfach nicht mehr d’accord geht mit dem, was ich jetzt inzwischen bin und sein will. Das ist einerseits ein Abschluss mit meiner Vergangenheit, allerdings lasse ich mir damit durchaus auch ein Hintertürchen auf. Wenn ich wieder in alte Muster zurückfalle oder irgendeine Störung entwickle, dann erlaube ich mir das mit diesem Song.
Ich möchte mich nicht verstellen und auch nicht der sein müssen, der ich mal vor 20 bis 25 Jahren war. Wenn das allerdings schiefgeht, ich in alte Muster zurückfalle und alle Stricke reißen, dann kann es sein, dass ich vielleicht doch noch zu härteren Maßnahmen greife. Gerade sieht es aber so aus, als sei das abgefrühstückt.

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Du bist ja vor 5 Monaten erst Vater geworden, das sieht also wirklich danach aus, als sei die alte Zeit erstmal vorbei.

Genau, ich wollte jetzt mal ein familientaugliches Album machen. Den einen oder anderen Song würde ich mit kleinen Kindern dann trotzdem auslassen.

Mit „Fake News“ und „Shitstorm“ hast Du ein aktuelles Thema aufgegriffen . Musstest Du selbst schon mal einen Shitstorm über Dich ergehen lassen, so dass Du gedacht hast: „Ok, jetzt reicht’s mir, ich mach die Kanäle dicht!“?

Nee, so hardcore wie bei vielen anderen war es bei mir zum Glück nicht. Das Wort „Shitstorm“ ist ja eigentlich schon wieder oldschool im digitalen Zeitalter. Aktuell ist es aber trotzdem noch. Shitstorm und Mobbing können ja dramatische Folgen haben und ganz viele Menschen, vor allem auch Jugendliche, in den Suizid treiben. Der Song ist auch nicht auf mich persönlich bezogen, sondern ich hab ihn in der dritten Person geschrieben. Da bin ich der Verursache oder Mitläufer. So ein Leben als Shitstormer ist ja ein sehr Armseliges. Wenn man nichts Besseres zu tun hat als auf jemanden loszugehen und andere fertigzumachen, ist das inzwischen nicht mehr nur ein Schulthema, sondern man bekommt auch immer mehr Erwachsene mit, die so ein Kindertheater betreiben. Das wollte ich in diesem Song thematisieren.
„Fake News“ ist eher ein Song über Menschen, die sich ihre Befriedigung über Sensationsstorys holen. Ob sie wahr sind oder nicht, ist demjenigen dann egal. So jemand möchte einfach irgendwelche Headlines lesen und springt auf Clickbait-Artikel an.

„Niemandsland“ ist mir als typischer Crossover-Titel aufgefallen, da könnte man einen Einfluss von Such A Surge erkennen, mit denen Du ja auch mal was gemacht hast. Hat das eine Rolle gespielt?

Such A Surge und ich haben ja ein ähnliches Alter und wir sind mit den gleichen Sachen großgeworden, egal ob Crossover, Punk oder Hardcore. Wir sind bis heute in Kontakt, ich finde es schade, dass es sie nicht mehr gibt. „Niemandsland“ ist im Grunde ein Tribut an diese alte Zeit, die leider vorbei ist. Aber auch viele andere meiner Songs kann man als Tribute an alte Zeiten bezeichnen und Einflüsse entdecken. Ob es jetzt die Ärzte sind, die Toten Hosen, die Ramones oder auch Pantera. Das ist alles ein bisschen mit eingearbeitet. Ein mainstreamiger Touch ist ja trotzdem noch dabei, damit es nicht so trashig klingt. Ich bin nicht mehr der Jüngste, da ertragen meine Ohren so ein Dauergeschepper nicht mehr.

Hast Du einen Lieblingssong vom Album, der Dir ganz besonders am Herzen liegt?

Nee, ich kann mich da nicht entscheiden. Das ist eher stimmungsabhängig. Manche Songs mag ich an einigen Tagen gar nicht gerne hören, dann gibt es aber wieder Momente, wo ich die Songs dann doch am liebsten höre. Aber einen allerbesten Song gibt es für mich nicht.

Du bist ja momentan gut beschäftigt. Gerade bist Du eigentlich mit Madsen unterwegs, allerdings sind jetzt Konzerte verschoben worden.

Sie sind krank geworden, was echt schade ist. Ich habe mich ja auf die Tour gefreut, weil ich auch das Album mit ihnen zusammen gemacht habe.

Fällt denn die ganze Tour ins Wasser oder ist schon klar, wann es weitergeht?

Nein, die ganze Tour fällt nicht flach. Leider ist aber auch noch nicht genau klar, wann weitergemacht wird.

Du hast aber ja auch trotzdem noch zwei Solo-Auftritte. [Anm.d.Red.: Ferris tritt am 12.03. in Bremen und am 14. März in Hamburg auf. Hier geht’s zu den Facebook-Events.]

Ja, das sind zwei Shows in Bremen und Hamburg, in extrakleinen Läden, damit es heiß wird und nicht gleich jeder Fehler auffällt, den man am Anfang noch so macht. Es ist ja alles noch ganz frisch.

Ist eine ausgiebigere Solo-Tour auch schon geplant?

Noch nicht. Würde ich aber total gerne machen. Allerdings müssen wir überlegen, wie wir da vorgehen. Das muss ja auch familiär machbar sein. Es wird also keine klassische Tour geben, auf der ich dann 20-30 Tage am Stück weg sein werde, sondern ich würde eher Wochenend-Gigs machen, sowie Madsen das jetzt auch handhaben. Meine Familie soll ja auch noch was von mir haben.

Mit einem 5 Monate alten Baby brauchst Du ja auch Deinen Schlaf.

Richtig. Und irgendwann ist das Kind auch alt genug, so dass man es einfach mitnehmen kann. Das ist ja dann auch ein tolles Erlebnis.

Jetzt ist also erstmal Album-VÖ und Du bist sehr auf die Musik fokussiert. Wie sieht es denn aber allgemein mit der Schauspielerei aus? Gibt es z.B. in Bezug auf „Blockbustaz“ schon Neuigkeiten?

Leider nicht, ich wünschte ich könnte da mehr erzählen. Das ist alles noch in der Mache. Das ist alles für Eko und mich ein bisschen schwierig, einfach weil es nur so holprig vorangeht. Das war ja ein Zugpferd von ZDFneo und ich verstehe nicht ganz, warum da nicht schneller gehandelt wird. Mit der dritten Staffel zieht sich das immer noch weiter hin.
Allgemein mache ich aber weiterhin einige Castings, es kommen auch immer wieder Drehbücher rein. Ich weiß noch nicht, was ich als nächstes drehen werde, das steht ja auch immer unter Geheimhaltung. Darüber darf ich dann nicht sprechen. Aber ich bin gewillt und ich will da noch sehr viel machen.

Schauspielerei bleibt also weiterhin wichtig für Dich?

Ja, das ist ein ganz wichtiges Steckenpferd und ein toller Ausgleich zu der Musik. Für mich geht das Hand in Hand. Wenn ich einen Film gedreht habe, freue ich mich darüber, wieder Musik machen zu können und wenn ich gerade von einer Tour zurückkomme , bin ich wieder froh, einen Film drehen zu dürfen. Manche machen Sport als Ausgleich, ich wechsel lieber zwischen den Genres.

Dann wünsche ich Dir für das Genre Musik schon mal viel Erfolg für die VÖ am Freitag!

Danke, ich denke, das wird auf jeden Fall ein gesunder Anfang. Erstmal muss ich die Leute ja dran gewöhnen, in welche Richtung es geht. Ich erwarte jetzt auch keinen riesigen Hype. Ich komme nun mal eigentlich aus einer ganz anderen Richtung, für viele ist das vielleicht erstmal sowas wie ein Kulturschock. Aber die, die es wertschätzen werden es bestimmt feiern. Trotz allem glaube ich, dass ich mir das langsam erarbeiten muss.

„Wahrscheinlich Nie Wieder Vielleicht“ erscheint am 08.03.2019 auf Arising Empire.

Nora
Nora
Aus Braunschweig, seit 14 Jahren in Berlin. Am Ende immer wieder bei Musik gelandet.

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