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Bob Dylan – Alle Songs (Buchbesprechung)

Mit dem Sprechen und Schreiben über Pop betritt man immer ein hartes Pflaster; wer die falschen Bands mag oder unbequeme Querverweise zieht, der fällt schnell in Ungnade der Meinungsmacher. Eine der wenigen verlässliche Größen, auf die man sich im Pop-Diskurs spätestens seit den späten 90ern einigen kann, ist Bob Dylan – zugleich hat er mit den „Dylanologen“ jedoch eine der ergebensten Anhängerschaften der Musikwelt. Dylanologen sind keine simplen Bescheidwisser, sie untersuchen das Werk ihres Vorbildes, erkunden Referenzen, sichten alternative Versionen und prüfen akribisch Dylans Songtexte sowie seine Aussagen.

Als gewöhnlicher Freund von Popmusik mit besonderer Vorliebe für Dylan kann man sich bei derleit Expertise schon mal eingeschüchtert fühlen. Zugleich stellt sich jedoch die Frage: Wie und wieso sollte man sich all die – teils hochinteressanten – Informationen über Dylans Werk behalten? Philippe Margotin und Jean – Michel Guesdon entwerfen mit „Bob Dylan – Alle Songs“ einen Lösungsvorschlag für dieses Dilemma. Das Buch ist eine Art Enzyklopädie geworden, die nur bedingt für Menschen geeignet ist, die ohnehin schon alles über Dylan wissen. Viel eher handelt es sich hier um einen Wegweiser durch die Untiefen seiner Diskographie, beginnend in den hektischen 60ern über die schwierigen 80er bis zum heutigen Klassikerstatus.

Statt auf Biegen und Brechen Vollständigkeit anzustreben zu wollen – was gerade angesichts der immer neuen Stücke, die innerhalb der Bootleg Series ausgegraben werden, schier unmöglich ist – bezieht das Buch seinen Reiz vor allem aus der sorgfältigen Aufarbeitung seines Themas. Detaillierte und doch griffige Texte leiten in das jeweilige Album ein und geben dabei eine angenehm – wohlwollende Wertung mit auf den Weg; eine ungeliebte Platte wie „Down In The Groove“ wird hier also nicht erneut verrissen, selbst wenn ein gewisses Maß an Kritik mitschwingt.

Eine Wertung nimmt in gewissem Rahmen bereits die Textlänge zu den einzelnen Songs vor. Obwohl Margotin und Guesdon sich um Einheitlichkeit bemühen, übertrumpft der vierseitige Text zu „Like A Rolling Stone“ beinahe den Platz, den einige Alben aus den 80ern in ihrer Gesamtheit einnehmen. Die Zuordnung der Länge bleibt jedoch immer nachvollziehbar, nicht zuletzt erzählt das Buch ja auch die Geschichte einer Karriere und nimmt innerhalb dieses Vorgangs logische Gewichtungen vor. Dabei nehmen die Autoren auch in Kauf, nicht immer für jeden interessant zu sein, etwa wenn akribisch Aufnahmsessions inklusive der beteiligten Musiker nachgebaut werden.

Ein Buch zum Verschlingen haben Margotin und Guesdon hier aber vermutlich ohnehin nicht erschaffen wollen. Stattdessen lädt es offensiv dazu ein, in ihm und darüber hinaus, erneut in Dylans Musik verloren zu gehen. Dazu trägt neben den ausführlichen Informationen und der ansprechenden inhaltlichen Aufbereitung vor allem die optische Gestaltung bei, die dank etlicher Fotos ein gutes Gespür für das Gefühl der Zeit vermittelt, in denen die Platten erschienen sind. Über 50 Jahre Popgeschichte sind in diesem Band aufgearbeitet; dass Details dabei selektiert werden müssen, ist selbst bei über 700 Seiten logisch. Dank seines Umfangs und ordentlichen Preis-Leistungs-Verhältnisses eignet sich „Bob Dylan – Alle Song“ jedoch im Grunde für jeden, der an Popmusik im Allgemeinen und Dylan im Speziellen interessiert ist.

„Bob Dylan – Alle Songs: Die Geschichte hinter den Tracks“ ist im Delius Klasing Verlag erschienen und kostet EUR 59,90 .

Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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