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Album der Woche: Fleet Foxes – Crack-Up (Kritik)

Auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner zwischen den allgemein akzeptierten musikalischen Heroen der letzten zehn bis fünfzehn Jahre landet man früher oder später bei der Zeit, die sie sich lassen: The xx, Frank Ocean, Bon Iver, alle extrem einflussreich, alle nicht unbedingt für Schnellschüsse bekannt. Statt sich innerhalb des eigenen Projekts auszuprobieren, häuten sich diese Künstler zwar auch permanent, allerdings in abseitigen Gassen, als Featuregäste oder sogar in kompletter Abgeschiedenheit von der Öffentlichkeit. Das Hadern spielt dabei eine entscheidende Rolle, als Motor wie Hemmnis vermutlich gleichermaßen: Was hat man dem eigenen Genre, der eigenen Geschichte noch hinzuzufügen?

Fragen, mit denen sich wohl auch Robin Pecknold regelmäßig rumschlägt. Nicht umsonst kloppte er 2013 seine Fleet Foxes erst mal in die Tonne, trotz der enormen Aufmerksamkeit, die ihrem zweiten Album „Helplessness Blues“ zuteil wurde. Geschützt vor äußerem Druck wuchs natürlich, auch das ist ja typisch für seine Generation, permanent neue Musik, die beide Umstände reflektiert: Die Zeit, die in sie investiert wurde, ebenso wie eine gewisse Einsamkeit, in die Pecknold sich begab.

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„Crack-Up“ vollbringt dabei das Kunststück, verästelt und intim zugleich zu klingen. Wie im Falle von Alt-J (im übrigen ein gutes Beispiel gegen oben behaupteten gemeinsamen Nenner) suchen die Fleet Foxes hier Brüche in ihrer Musik, die am Anfang auch als simpler Nostalgieemulator bestehen konnte. Wie ein Echo aus dieser Anfangszeit hallt am Ende des Openers „I Am All That I Need / Arroyo Seco / Thumbprint Scar“ eine Reprise des alten Stücks „White Winter Hymnal“ herüber, dessen Gestus hier nur selten zu finden ist. Stattdessen gibt es zahlreiche Hybridformen, wie etwa die Single „Third Of May / Odaigahara“ vorab mit ihrem (mindestens) zweigeteilten Aufbau zeigte. Derartige Strukturen erinnern an Prog, der hier aber nicht mit steril-breitbeinigen Gitarren, sondern viel eher trist-isoliert daherkommt.

Derartige Widersprüche finden sich auch in Pecknolds Texten wieder, die sich von einem – zumindest oft angenommenen – Zeitbezug entfernen und stattdessen zwischen privater Reflektion und kulturhistorischem Referenzrahmen changieren, sich also nicht zwischen Intimität und wissenschaftlicher Distanz entscheiden wollen. Der sprechende Titel des ersten, enorm porös klingenden Drittels von „I Am All That I Need / Arroyo Seco / Thumbprint Scar“ setzt den Ton für Ersteres, bevor ein Gitarrenschwarm einsetzt und die Stimmung kurz so beschwinglich wird, wie es „Crack-Up“ nur selten wagt.

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Und selbst auf den Schultern vorgeblich gut gelaunter Songs lastet meist die Schwere der eigenen Vergangenheit, egal ob es nun das traditionelle „Fool’s Errand“ oder das wehmütige, aber zugängliche „If You Need To, Take Time On Me“ trifft. „Crack-Up“ möchte sich von jeglicher Folk-Revival-Seligkeit verabschieden, auch ein Gruppengefühl kommt nur selten auf, und eben das könnte für jene Fleet Foxes Fans, die sich der Band selbst gegenüber längst nostalgisch verhalten, zum Problem werden.

In den komplexen, sich aneinander reibenden Strukturen von „On Another Ocean (January/June)“ ebenso wie im absolut düsteren, nebligen „I Should See Memphis“ steckt das Hadern, das Zerdenken, die Überforderung, man könnte auch überspitzt sagen: das Alter. Pecknold mag nicht immer den pointiertesten Weg gefunden haben, diesen Geisteszustand zu vermitteln, doch wie eingangs erwähnte Bands haben auch die Fleet Foxes einen kreativen Weg gefunden, sich zu ihrem bisherigen Erbe zu verhalten.

„Crack-Up“ erscheint am 16.06. via Nonesuch auf Platte, CD und digital.

Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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