StartAnzeige„Africa Rising“: Von afrikanischen Ikonen und neuen Helden

„Africa Rising“: Von afrikanischen Ikonen und neuen Helden

Bis zum 30. Juni zeigt ARTE die Dokumentation „Africa Rising“ in der Mediathek – eine 90-minütige Reise durch die Pop- und Kulturgeschichte des Kontinents und einem Film über alte Ikonen und deren Einfluss auf neue Stars.

Afrika ist im Wandel. Digitalisierung, Demokratisierung und politische Unabhängigkeit geben dem Kontinent eine neue kreative Kraft, die sich auch in der hiesigen Musikszene widerspiegelt. Trotz internationalen Erfolgen und hörbarem Einfluss vom globalen Westen folgen die aufstrebenden Musikstars dem Pfad ihrer afrikanischen Vorbilder.

Der Schmerz südafrikanischer Apartheid: Arthur Mafokate und Spoek Mathambo

Mit dem Ende der Apartheid begann die Zeit der elektronischen Musik in Südafrika. Insbesondere House wurde in den Clubs häufig gespielt. Den Johannesburger DJs Oskido und Christos war das Genre aber einfach zu schnell. Kurzerhand spielten sie die Tracks verlangsamt auf 110 BM ab. Im Heimstudio sampelten sie dann die heruntergeschraubten Beats und unterlegten sie mit eigenen perkussiven Elementen. Diesen Stil nannten sie Kwaito. Einer, der den südafrikanischen Hybrid-House außerhalb der Clubs in die Gehörgänge der Südafrikaner trug, war Arthur Mafokate. Mit seinem 1995 erschienenen Song „Kaffir“ schuf der Musikproduzent den ersten großen Kwaito-Hit.

Der Track stellt aber nicht nur einen musikalischen Meilenstein dar, auch textlich löste Mafokate ein wahres Beben in der Gesellschaft des Landes aus. „Kaffir“ ist nämlich eine südafrikanische Bezeichnung für Dunkelhäutige, der rassisch konnotiert ist. Mit der gesungene Zeile „Don’t call me Kaffir!“ erinnerte der Song an die Gräueltaten des Apartheid-Regimes und appelliert gleichzeitig an das wachsende Selbstbewusstsein einer neuen Generation, die keine Angst haben sollte, Kontroversen zu schüren oder starken Meinungen zu äußern.

Einer, der wie kein zweiter dem Ruf nach freier Meinungsäußerung in der südafrikanischen Musik-Szene folgte, ist Spoek Mathambo. Der Schöpfer des „Township-Tech“, einem Mix aus Maskandi-Rhythmen der Zulu, Hip-Hop, Postpunk und House, gilt als einer kontroverstesten und zugleich erfolgreichsten Musik-Exporte der Republik. Mathambos einzigartige Ästhetik zeigt sich aber nicht nur in seinem avantgardistischen Sound. Prominentestes Beispiel ist das Video, das der 34-Jährige für sein Cover von Joy Division’s „Control“ kreierte. In dem rund dreieinhalbminütigen Schwarz-Weiß-Film spürt er in verstörenden Schwarz-Weiß-Bildern den Schrecken der jüngeren Vergangenheit Südafrikas nach. Unfassbar, aber bis in jede Faser spürbar: Es scheint kein Zufall zu sein, dass Spoek in Afrikaans „Geist“ bedeutet.

Kongolesischer Rumba und Fashion: Pampa Wemba und Maître Gims

Er galt als „König der kongolesischen Rumba“ und ihrer als Soukous bezeichneten moderneren Form. Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit seines Landes trat Papa Wemba, mit bürgerlichem Namen Jules Shungu Wembadio Pene Kikumba, im Dezember 1969 in die wettbewerbsorientierte Welt der kongolesischen Musik ein. Es war eine traumatische Ära von Bürgerkrieg, terroristischen Attentaten und politischer Instabilität. Doch die dort entstandene Musik, eine starke Mischung aus kubanischen, lateinamerikanischen und traditionellen afrikanischen Klängen, machte Kinshasa zur Musikhauptstadt des Kontinents und Papa Wemba zur Stimme Kongos – trotz bewusst unpolitischer Lyrics. Bekanntheit über die Grenzen seiner Heimat erlangte er spätestens durch seine Zusammenarbeit mit Genesis-Oberhaupt Peter Gabriel. Aber nicht nur aufgrund seiner Musik gehört Papa Wemba zu den wichtigsten Persönlichkeiten der afrikanischen Pop-Kultur. Mit seinem dandy-liken Kleidungsstil prägte er eine als „SAPE“ (Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes) bekannte soziale Bewegung, bei der junge dunkelhäutige Männer sich in besonders extravagante und elegante Kleidung hüllten, um ihr Selbstbewusstsein zur Schau zu stellen und so dem Widerstand gegen die sie umgebende Armut auszudrücken.

2016 endete das Leben von Papa Wemba – genau da, wo er es am liebsten verbachte: Während seines Auftritt beim „FEMUA 9“-Musikfestival brach der Musiker auf der Bühne zusammen und starb, noch bevor er ins Krankenhaus gebracht werden konnte. Seine Musik bleibt jedoch weiter am Leben. Unter anderem durch den aus dem Kongo stammendenden Rapper und Sänger Maître Gims, dem das große Erbe der kongolesischen Musik-Historie praktisch in die Wiege gelegt wurde. Maître Gims‘ Vater ist nämlich niemand geringeres als Djuna Djanana, seines Zeichens Sänger der nach Kikumba benannten „Papa Wemba Band“. Dass er inmitten der einflussreichsten Musiker des Landes aufwuchs, war Maître Gims in seiner Jugend nicht bewusst. „Da ich von klein auf drin gebadet habe, habe ich nicht unbedingt den Wert dieser Musik erkannt. Den Reichtum dieser Musik habe ich viel später entdeckt“, erklärte das Gesangstalent in der ARTE-Doku „Africa Rising“. Seine kongolesischen Wurzeln lässt Maître Gims immer wieder anklingen – mit gigantischem Erfolg. Gemeinsam mit dem Rapper Niska veröffentlichte er mit „Sapés comme jamais“ eine Hommage an Papa Wemba. Die Tanznummer erreichte binnen weniger Wochen Diamant-Status.

Afropop-Genese aus Nigeria: Fela Kuti und WizKid

James Brown, Sting und Paul McCartney sind nur drei Weltstars, die bekennende Fans seines Lebenswerkes sind. Internationale Bekanntheit erlangte der nigerianische Sänger Fela Kuti vor allem durch das Broadway-Musical „FELA!“, das Rapper Jay Z und der Hollywood-Darling Will Smith produzierten und das mit etlichen Tonys ausgezeichnet wurde. Heute gilt Kuti als die schillernde Figur der afrikanischen Pop-Geschichte. Dabei war der Musiker nicht immer unumstritten. Mit sexistischen Songzeilen und der esoterischen Fixierung auf archaische afrikanische Traditionen war er für viele in erster Linie ein Provokateur.

Seine Musik nutze Kuti, um die Folgen des Kolonialismus und insbesondere den Einfluss eurozentristisch geprägter Bildung in Afrika anzuprangern. Verbunden wird sein Name heute aber vor allem mit dem Afrobeat-Genre, das er erfunden hat und das auch über 20 Jahre nach Kultis Tod internationale Stars beeinflusst. Mit Afrobeats bis in die Charts schafft es unter anderem Nigerias größte Musik-Hoffnung WizKid. Anders als Kuti bewegt sich dieser textlich lieber auf der Sonnensseite des Lebens. Unterlegt mit Dancehall-, Reggae- und Afropop rappt er in seinen Songs über Frauen, Geld und Partys.

WizKids Bad-Boy-Style ließ selbst Hip-Hop-Superstar Drake aufhorchen, der ihn für mehrere Kollabos in sein Tonstudio einlud. Der gemeinsame Song „One Dance“ schaffte es 2016 sogar auf Platz eins der US- und UK-Charts. Dafür gab es Vierfach-Platin. Das große Erbe seiner musikalischen Vorbilder will WizKid nicht auf seinen Schultern tragen. Dafür zeichnet sich bereits Femi Kuti aus – der Sohn des legendären Afrobeat-Pioniers und seinerseits einer der aktuellen Musik-Helden Nigerias.

Weitere spannende Koryphäen und Newcomer der afrikanischen Musikkultur könnt ihr in „Africa Rising“ sehen.

Mit freundlicher Unterstützung von Arte.

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