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Album der Woche: Sorority Noise – You’re Not As _____ As You Think (Kritik)

„When your best friend dies and your next friend dies and your best friend“™s friend takes his life / You can spend six months on your own because there“™s nobody left to talk to.“ Hoppla, über solche Zeilen muss man erst mal hinwegkommen, und Cam Boucher haut sie einem auf dem neuen Album seiner Band Sorority Noise im Minutentakt um die Ohren. Nein, fröhlich ist „You’re Not As _____ As You Think“ trotz seines sonnig-motivierenden Artworks nicht geworden, auch wenn die Assoziation nicht gänzlich unbegründet ist – und aus eben jener Unentscheidbarkeit speist sich der Reiz dieser Platte.

Denn es war ja gerade jene lähmende Eindeutigkeit, die Emo vor etwas mehr als zehn Jahren und nach diversen Paarungen mit Alternative, Screamo, Metalcore und sonstigem Käse den Kopf gekostet hatte. Besinnungslos reihten mit dunklem Kajal ausgestattete Bands Ausrufezeichen um Ausrufezeichen aneinander, bis eben keine Nuancen mehr da waren, wegen derer es sich noch gelohnt hätte, tätsichlich mal wieder eine der zugehörigen Platten anzuhören. Längst hat sich die Szene natürlich in den Schutz des 90er-Revivals zurückgezogen, aber dass es dabei auf Dauer ja auch nicht bleiben kann, das ist zumindest Sorority Noise bewusst. Einem Ausrufezeichen gleich setzt der Opener „No Halo“ daher auf raumgreifende Post-Rock-Gitarren, die im Refrain gemeinsam mit dicken Drums den potentiell wehleidigen Hörer an die Wand klatschen.

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Geschont werden soll hier eben niemand, erst recht nicht in seinem eigenen Selbstmitleid. Selten zieht Boucher sich so sehr in seine traurigen Grübeleien zurück, wie es das fragil-schleppende „First Letter From St. Sean“ oder das sich erst gegen Ende aufbäumende „Leave The Fan On“ zeigen. Es ist gerade die immer wieder aufgebrachte Energie im Wechselspiel mit sehr einfühlsamen Passagen, die an eine weniger verzweifelte und noch melodieverliebtere Version von Brand New erinnert, zumindest was den Willen angeht, die Gewohnheiten des eigenen, sich zu gerne in Emotionalität als Rechtfertigung flüchtenden Genres herauszufordern.

Um dabei gar nicht erst auf die Idee zu kommen, irgendeiner Form von Lethargie zu erliegen, gönnen sich Sorority Noise lediglich eine halbe Stunde, um den eigenen Gemütszustand aufzuarbeiten. Gerade im Mittelteil bedienen sie sich dazu munter am 90er Fundus zwischen Power-Pop und Pop-Punk, lassen in „Car“ auch mal ordentlich Energie einfließen und haben mit „Disappeared“ eine Art Hit geschrieben, der ebenso wie das verspielt-stürmische „Where Are You“ lediglich von seiner tristen Thematik nach unten gezogen wird.

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Die Arbeit mit Kontrasten ist nun mal das Mittel der Wahl auf „You’re Not As _____ As You Think“, im Gegensatz zu dem düsteren Hardcore, mit dem sich Bouchers andere Band Old Gray zuletzt ähnlichen Themen näherte. Wo der Schmerz dort noch sehr hermetisch wirkte, da treten nun gerade Stücke wie das rumpelige „A Better Sun“ mit all ihrer Einsamkeit und inneren Leere selbstbewusst nach außen und finden pointierte, aber eben nicht absolute Worte für all den Scheiß, ohne sich dabei auf die kaschierende Wirkung von Pathos verlassen zu müssen.

Knackpunkt ist also eben gerade die Lücke, die der Albumtitel lässt und dem Zuhörer damit den Ball zuspielt, selbst etwas aus der präsentierten Ambivalenz zu machen. Am Ende, nach Momenten des Händereichens, nach tristen Einsichten, nach bitteren Theodizee-Fragen, hängt man irritiert in den Seilen und lauscht dem knappen, verrauscht aufgenommenen „New Room“, ohne genau zu wissen, wohin dieses Album geführt hat. Katharsis oder Zynismus, das darf am Ende jeder selbst entscheiden, denn gerade um leichte Antworten drücken sich Sorority Noise gekonnt. Immerhin haben sie ja schon die richtigen Fragen gestellt.

„You’re Not As _____ As You Think“ erscheint am 17.03. via Big Scary Monsters auf Platte, CD und digital.

Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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