StartAlbum der WocheMuncie Girls - From Caplan To Belsize (Kritik)

Muncie Girls – From Caplan To Belsize (Kritik)

Frauen im Musikgeschäft sind auch gut zwanzig Jahre nach Riot Grrrl noch ein empfindliches Thema. In den Redaktionen sind sie unterrepräsentiert, in Bands gelten sie oft als Gimmick (man denke nur an den unsäglichen Terminus „female fronted band“) und im Hip Hop schwankt der modus operandi stets empfindlich zwischen Selbstbehauptung und Selbstausbeutung.

Darüber, wie man diese Situation verbessern kann, herrscht derweil Unklarheit, und gerade ich als Mann, der über Musik schreibt, weiß nicht mal genau, ob ich in der Position bin, mich an der Debatte zu beteiligen. Umso schöner ist es natürlich, wenn eine Band wie Muncie Girls daherkommt, die sich vor solchen Fragen nicht versteckt und es doch schafft, ihnen eine gewisse Leichtigkeit entgegenzustellen.

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„From Caplan To Belsize“ spielt zwar bereits im Titel auf feministische Weltliteratur an, orientiert sich jedoch in Sachen Gewicht mindestens ebenso stark an einer zweiten Referenz, die zumindest die Promo-Version des Albums aufmacht: den Ramones. Deren Klassiker „Pet Sematary“ hatte das Trio sich bereits im vergangenen Jahr zielsicher zu eigen gemacht, mit einer unverkennbaren Mischung aus mitreißend-sachdienlichem Gesang und Gitarrenarbeit, die auf jeden Fall die 90er Indie Schule durchlaufen hat. Dort haben Muncie Girls vermutlich auch die große Kunst der Ungenauigkeit erlernt, mit deren Hilfe sie auf ihrem Debüt zwischen glattpoliertem Indie-Pop und allzu schrammeligem Indie-Punk manövrieren.

Wie Kay One den Style und das Geld hat, hat das britische Trio die Attitüde und die Melodien, um einfach mal so zehn kleine Indie-Pop-Punk Hits aus dem Ärmel zu schütteln. Die tendieren mal in Richtung Grunge („Balloon“), mal schielen sie in Richtung Dance-Punk („I Dont Wanna Talk About It“), doch immer klingt das Ergebnis angenehm sommerlich. Gemein ist den Stücken außerdem Lande Hekts Ansatz als Texterin, der sich einer kritisch-feministischen Perspektive bedient. Besonders gekonnt bringt Hekt den Widerspruch zwischen eigentlich aufgeklärter westlicher Welt und alltäglicher Misogynie in der Single „Respect“ auf den Punkt.

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Wer mit politisierten Texten nichts anfangen kann, der wird hier sicherlich schnell an seine Grenzen stoßen. Was Muncie Girls jedoch von vielen anderen Bands mit ähnlicher Ausrichtung abgrenzt, ist der verletzliche Optimismus, den sie bereits im wundervollen Opener „Learn In School“ offensiv zur Schau stellen. Analog zum Titel, der sinnbildlich für eine Verbesserung der Verhältnisse innerhalb des Romanes „Die Glasglocke“ steht, glaubt Hekt daran, dass sich die Dinge noch bessern können.

Der Verweis auf historische Bewegungen wie die Suffragetten dient dabei zugleich als Ehrerbietung und Motivation die anzeigt, dass ein Wandel möglich ist, wenn denn der nötige Wille vorhanden ist, die Umstände in denen wir leben, zu ändern. Auch dieser Gedanke ist natürlich nicht neu, er ist mindestens so alt wie die Punkbewegung, doch eben in der Illusion, die Geschichte noch mal neu erzählen zu können, ja sie sogar neu erzählen zu müssen, liegt ein weiterer großer Reiz an „From Caplan To Belsize“.

8/10

„From Caplan To Belsize“ erscheint am 04.03. via Uncle M auf Platte, CD und digital.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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