StartKritikenDie Sterne - Flucht in die Flucht (Kritik)

Die Sterne – Flucht in die Flucht (Kritik)

Raus aus der Disco, rein in die Spelunke – so könnte man die jüngste Entwicklung der Hamburger Musterschüler Die Sterne beschreiben. Waren sie auf ihrem letzten Album noch dem großen Beatzirkus verfallen, hängt man nun lieber an der Jukebox ab. Psychedlic, Country, Funk, Soul – viele (anachronistische) Musikstile finden sich wieder auf „Flucht in die Flucht“. Einfach Antworten sucht man indes vergeblich, außer vielleicht auf die Frage was die Band auf ihrem zehnten Album eigentlich möchte: alles auf einmal nämlich.

Das könnte natürlich sehr schnell beliebig werden, erweist sich bei genauerem Hinhören jedoch als wunderschönes popmusikalisches Wimmelbild. So verschachtelt und schräg das Cover, so ist auch der Klang des Albums geraten. Irgendwo schimmern immer schlierende Gitarren hindurch, da lugt mal ein Chor hervor (bestehend übrigens aus Hamburger ABC Schützen wie Zucker oder Schnipo Schranke) und hie und da steckt bestimmt auch noch ein bisschen Noise drin. Frank Spilker, seines Zeichens mittlerweile Romancier, bleibt derweil ruhender Pol inmitten dieses Gewusels. Egal ob er nun wütend, traurig oder belustigt ist: seine Stimme verlässt nie dieses milde sonore Raunen, das er als Tonart für dieses Album gewählt hat.

Auch thematisch stellt sich die Band breit auf. „Ihr wollt mich töten“ wird im Duett mit Alexander Hacke gegrummelt und ist ein düsterer Outlawschunkler geworden. „3 Akkorde“ nimmt es sich heraus, kurz nochmal die gute alte Poputopie herbeizufantasieren, wohingegen „Innenstadt Illusion“ leicht beschwingten, politischen Soul auspackt und dazu triste Gentrifizierungsphrasen drescht. Ein lyrisches Ich ist nich auszumachen, und wenn doch wäre es wohl ein schizophrener, dauerkiffender, perverser Immobilienmakler mit einem Faible für Western und Punk.

Wie gesagt, einfache Antworten findet man hier nicht. „Flucht in die Flucht“ ist nach der Flucht in die Disco tatsächlich eine Flucht geworden, die sich selbst zur Maxime erhoben hat. Die Probleme kann man nicht leugnen, werden aber in musikalischem Anarchismus und dadaistisch angehauchten Texten wie „Der Bär“ erstickt. Und zur Not, sollte der nächste Shitstorm nahen, spannt Spilker eben seinen Sonnenschirm auf. Ist das nun Zeitkritik, Weltflucht oder einfach nur ganz großer Quatsch? Vermutlich von allem ein bisschen. Und gerade dadurch wird das Album so lohnenswert.

„Flucht in die Flucht“ erscheint am Freitag, den 29.08.2014 beim sympathischen Label Staatsakt. Hier unten gibt es als eine Art Vorgeschmack die Bearbeitung des Songs „Ihr wollt mich töten“ durch den formidablen Pianisten Lambert.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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