StartInterviewsDie Ärzte sind Punk! - Torsun von Egotronic im Interview

Die Ärzte sind Punk! – Torsun von Egotronic im Interview

Egotronic (Foto: Bastian Bochinski)

Punk lebt seit jeher von Argumenten. Dass Egotronic ihr neues Album deshalb „Keine Argumente!“ genannt haben verwundert, positioniert sich die Band doch seit jeher stark links. Und auch die neue Platte ist voll mit eindeutigen Statements zur politischen Lage und zu Feindbildern. Dennoch gibt es für vieles einfach „Keine Argumente“ – eine Spurensuche.

Pre-Listening Party in der Milchbar in Berlin: Über die Rückkehr zum Punk

Testspiel: Durch Rod González als Produzenten klingt „Keine Argumente!“ wieder mehr nach Punk, weniger nach Elektro-Musik. Weshalb habt ihr euch gerade jetzt wieder für die Rückkehr zum Punk entschieden?

Torsun: „Ich hatte einfach Bock drauf. Mit reiner Elektronik habe ich jetzt so viele Jahre rumprobiert, ich habe die elektronische Musik durchgespielt.“

Keine Argumente also für Elektro. Wie kam es dazu, dass Rod zum Produzenten wurde?

„Ich habe Rod 1994 kennengelernt, als sich Die Ärzte wieder gegründet hatten und ein damaliger Mitbewohner angefangen hat, für sie zu arbeiten. Über die ganze Zeit hat er beobachtet, was wir so machen. Zur letzten Platte meinte er: „šDas gefällt mir, aber ich würde die Sachen anders mischen.“™ Weil er nun auch Zeit hatte, hat sich das ergeben. Rod war die ganze Zeit mit im Studio, hat die Aufnahmen gemacht und die Platte gemischt.“

Die Entscheidung für Rod kann auch als Geständnis für das Team Die Ärzte gelesen werden…

„Ich war immer Ärzte-Fraktion. Wenn du dir zum Beispiel den Echo anschaust: Sie sind da vor Frei.Wild schon nicht hingegangen. Das ist cool. Das ist Punk. Die Toten Hosen hingegen sind das Paradebeispiel für Nicht-Punk. Einerseits finde ich es cool, dass sie nach Dresden fahren und dort spielen, andererseits sind sie so narzisstisch, dass sie zur Echo-Verleihung fahren, wo dieses Mal sogar jemand von Frei.Wild in der Jury saß. Und so etwas finde ich kacke. Genauso kacke finde ich es, dass die Antilopen Gang mit Fettes Brot, die für die Bundeswehr posiert haben, auf Tour gegangen sind.“

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Drei Tage nach der Pre-Listening Party; eine Kneipe in Berlin: Über Profit im Punk

Torsun trägt bei unserem Gespräch einen Hoodie der Antilopen Gang; er versteckt sich beinahe darin.

„Den Jungs geht es um Erfolg. Da muss man Sachen bis zu einem gewissen Maß mitmachen, andere bis zu einem gewissen Maß, aber auch nicht. Ich war dafür, glaube ich, immer zu stur. Trotzdem stehe ich hinter vielen Sachen, die sie sagen und sie gehören zu den cooleren im Business.“

Vor einem Waschsalon: Über Härte, die wehtut

Während wir sprechen, trocknet die Bettwäsche des Sängers im Trockner im Waschsalon. Härte mag er nicht. „Bettwäsche und Handtücher werfe ich immer den Trockner, dann sind sie kuscheliger und angenehmer, als wenn man sie normal trocknet.“

Über Festivals

Anfang Juni darf die Band vor einem großen Publikum spielen; dann betreten sie zum ersten Mal in der Bandgeschichte die heiligen Bühnen bei „Rock am Ring“ und „Rock im Park“. Die Vorfreude darauf ist riesengroß, der Sänger klingt wie ein Kind im Spielzeugladen, wenn er vom anstehenden Debüt erzählt. Er selbst war zwölf Jahre jung, als er zum ersten Mal mit seinem Vater „Rock am Ring“ besucht hat. Gesehen haben sie dort David Bowie und die Eurythmics. Das war 1986.

Viele Künstler – Casper, Turbostaat oder Love A, auf deren Festival ihr in diesem Jahr auch am Start seid,- veranstalten ihre eigenen Festivals. Wann wird es ein Egotronic-Festival geben?

„Das ist ein richtiges Phänomen und irgendwie macht das jetzt jeder. Ich finde das cool, ist an sich eine schöne Sache. Aber ich selbst“¦ nö, das wäre mir zu viel Aufwand. Wenn aber eine Band wie Love A das macht, dann finde ich das gut, weil sie auch einen guten Musikgeschmack haben und ich die Bands, die sie eingeladen haben, alle mag.“

Wenige Tage vor der Live-Feuertaufe: Über Frauen im Punk

Würde es nach Bandchef Torsun gehen, würden auf Szene-Festivals wie diesen mehr Frauen auftreten. Vor einiger Zeit hatten Egotronic bewusst nach einer weiblichen Schlagzeugerin gesucht. Gefunden haben sie damals keine. Dafür durften auf „Keine Argument“ einige Damen singen: In „Deutschland, du Arschloch! Fick dich!“ ist die Freundin des Sängers zu hören, bei „Hallo Provinz“ haben die frühere Bookerin der Band und die Frau des Synthesizer-Spielers Kilian mitgesungen und bei „An die Wand“ stand Emilie Krawall, Drummerin bei Mansmann, vor dem Mikro.

„Bei dieser Platte waren es immerhin schon drei Songs mit Frauengesang und ich möchte in Zukunft noch mehr damit machen, weil ich das gut finde. Vor allem dann, wenn die Hook oder der Refrain von einer Frau gesungen wird und diese dann, weil sie den wichtigsten Part im Song einnimmt, zum tragenden Element wird.“

Doch die Freundin am Mikro alleine revolutioniert noch nicht die Männerdomäne Punk….

„Für die Release-Show war klar, dass wir unbedingt eine Frauenband wollen, das war uns extrem wichtig. Wir konnten das Diva Kollektiv dafür gewinnen und darüber bin ich froh. Die komplette Band besteht aus Frauen und alle Instrumente werden von ihnen gespielt. Natürlich ist das nicht viel, aber wenn man sich die Bookings von Festivals anschaut, dann sieht das im Bezug auf Frauen ganz schön traurig aus und das liegt nicht am Mangel von guten Frauenbands – denn es gibt ja richtig Gute wie zum Beispiel Gurr. In diesem Fall wäre ich sogar für eine Frauenquote.“

Egotronic – Konzerte 2017
19.05. Berlin – Festsaal Kreuzberg (Record Release Party)
25.05. Hamburg – Molotow (Der Sky auf Erden)
26.05. Essen – Hotel Shanghai
27.05. Kiel – Campus Festival Contre Le Racisme (Eintritt Frei)
03.06. Nürnberg – Rock im Park Festival
04.06. Nürburgring – Rock am Ring Festival
08.06. Hannover – Café Glocksee
09.06. Magdeburg – Feuerwache
10.06. Chemnitz – Smash your Attitude Festival (Eintritt Frei)
23.06. Kassel – Goldgrube
24.06. Bad Aibling – Indiebase Festival
29.06. Negenharrie – Off the Radar Festival (Egotronic LoFi)
30.06. Wiesbaden – Youth Culture Festival
01.07. Trier – Summer of Love A Festival
15.07. Reutlingen – Kurt Festival
21.07. Cuxhaven – Deichbrand Festival
29.07. Herzebrock – Herzerockt Festival
12.08. Eschwege – Open Flair Festival
14.09. Rostock – Peter Weiss Haus
15.09. Flensburg – Volksbad
16.09. Münster – Gleis 22
22.09. Dresden – Scheune
06.10. Osnabrück – Kleine Freiheit
07.10. Bonn – Bla
20.10. Amberg – Laut gegen Rechts
21.10. Augsburg – Soho Stage
02.11. Würzburg – Cairo
04.11. Basel – Hirscheneck
16.11. Jena – Kassablanca
17.11. Konstanz – Kula
18.11. Heidelberg – Karlstorbahnhof

Egotronic „Keine Argumente!“ (Albumstream)

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Spotify zu laden.

Inhalt laden

Helena
Helena
Im Jahr 1988 in Franken das Licht der Welt erblickt, lebt und arbeitet Helena in Berlin als Journalistin bei watson.de. Zuvor war sie Musikjournalistin beim Rolling Stone und hat an der Axel-Springer-Akademie gelernt. Vorher hat sie Literatur und Medien in Erlangen und Augsburg studiert. Musik ist ein integraler Bestandteil ihres Daseins und deshalb bloggt sie für testspiel.de aus der Hauptstadt.

UNTERSTÜTZEN

Liebe Leser*innen und Fans, wir brauchen Eure Unterstützung! Hier erfahrt Ihr, wie Ihr uns unterstützen könnt.

FOLGT UNS

Beliebt