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Bilderbuch – Schick Schock (Kritik)

Am Anfang war die Angst.

Ausgelöst wurde diese durch „Maschin“, den Hit, den Lacher, die Revolution, die Unberechenbarkeit des Ganzen. Entdeckt habe ich den Song notgedrungenermaßen, schließlich hatte ich ein Ticket für die Casper-Tour im Frühjahr 2014 und Bilderbuch auf dieser nun mal Vorgruppe. Wie ein Großteil der hiesigen Hörerschaft habe ich Bilderbuch von diesem Punkt an also rückwärts entdeckt, Schritt für Schritt. Erst die EP, dann die ersten beiden Alben, dann das ganze Drumherum. Ohne den Anfang dieser beachtlichen Karriere schmälern zu wollen muss doch festgehalten werden, dass mit der „Feinste Seide“ EP ein Sprung im Werk der Österreicher zu verzeichnen ist. Die vier darauf versammelten Songs verbanden 70er Solo-Rock mit Hip Hop, Autotune mit Groove und deutsche Sprache mit Unbekümmertheit. Und ja, dann gab es da eben „Maschin“, das mit seinem Video zum Symbol für die Band wurde, aber eben auch zum Maßstab. Plötzlich befanden sich Bilderbuch anlässlich ihres dritten Albums in der Situation, sich beweisen zu müssen. Ich war mir alles andere als sicher, dass es ihnen gelingen würde.

Doch dann kam der Funk.

Bilderbuch hört man auf „Schick Schock“ weder Angst noch Zweifel an. Stattdessen vollführt die Band eben das Kunststück, an dem ihr Kollegen aus dem deutschsprachigen Raum immer wieder scheitern: Fernab von Hamburger Schule und Krautrock unpeinliche, gute Songs zu schreiben, mit deutschsprachigem Gesang. Bilderbuch begehen auch nicht den Fehler, dazu einfach ein ausländisches Vorbild zu kopieren. Ihr Plattenregal steht zwar offen für alle, doch die einzelnen Einflüsse sind auf dem Album zu einem schlüssigen Ganzen, zu zwölf unverkennbaren Hits verschmolzen. Geprägt werden diese von den Markenzeichen eines jeden Bandmitglieds: Da wäre zum einen Maurice Ernst, der immer ein wenig angeschickert durch die Songs stolpert, mal in Richtung Prince falsettiert, mal sprechsingt und alles in allem nicht selten an Falco erinnert. Prominent platziert sind auch immer wieder die exzentrischen Riffs und Soli von Michael Krammer, der sich irgendwo zwischen Schweinerock, Funk und John Frusciante seine ganz eigene Nische erarbeitet hat. Zusammengehalten wird all das von der Rhythmussektion, die immer den richtigen Groove parat hat. Funk und Hip Hop standen in dieser Hinsicht Pate für den Sound von Bilderbuch.

Kompilation statt Komplikation.

Statt sich krampfhaft an Stile zu klammern ist Hip Hop auch insofern Ideengeber, dass Bilderbuch einfach kompilieren was sie wollen und daraus eine eigene Identität erschaffen. Sogar einzelne Songs an sich bedienen sich munter verschiedenster Stilrichtungen: Der Titeltrack klingt in Teilen nach einer Dr. Dre Produktion, „Willkommen im Dschungel“ wirkt wie die Vision eines New Wave Künstlers von tropisch angehauchtem 90er Jahre Hip Hop. „Softdrink“ hat dann sogar einen Rapper an Bord, klingt ansonsten aber vielmehr nach laszivem Schlafzimmerfunk, während „Om“ zwar an Prince erinnert, aber mit vollkommen verdrehten Klängen aufwartet. „Gibraltar“ wagt zum Abschluss hin sogar einen melancholischen Autotune-Exzess, wie er im Sound der Band immer mal wieder angedeutet wird und den man ohnehin schon von „Plansch“ kennt. Der krude-subtil-verstörende Swimming Pool Song ist auch auf „Schick Schock“ wieder dabei, ebenso wie das schräg groovende „Feinste Seide“ und natürlich der große Hit „Maschin“. Es wirkt weniger so, als bräuchten Bilderbuch den Hit um die Platte zu verkaufen. Es ist so als würde die Band sagen: Wir haben diesen Song, aber er ist kein Fluch. Wir können ihm elf ebenbürtige Hits zur Seite stellen, die allesamt so klingen, als hätten wir sie mal eben aus dem Ärmel geschüttelt. Ob das Quartett seine Musik wirklich so leichtfüßig zusammengefügt hat oder um jeden Ton gekämpft hat – es ist absolut egal. Das Ergebnis ist überragend, und mehr will ich als Zuhörer bei dermaßen unterhaltsamer Musik gar nicht wissen.

„Schick Schock“ ist ab heute im Handel erhältlich. Wer vorab reinhören möchte hat natürlich bei uns die Gelegenheit dazu. Lest außerdem unbedingt unser Interview mit Maurice!

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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