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Album der Woche: Justice – Woman (Kritik)

Eine kurze Recherche der Rezeption jüngster Ed Banger Alben hat geezeigt: Der Sound des Labels ist kalt genug, um ein Revival zu erleben. Vor ziemlich genau zehn Jahren war das notorische Gebratze der dort beheimateten Künstler genau das richtige, um die Kinder von der abflauenden Indie-Welle abzuholen und mit elektronischer Musik anzufixen. Schirmherren dieser Bewegung waren zweifelsohne Justice, die just dieser Tage ihr gerade mal drittes Album veröffentlichen und damit erneut gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Comeback-Aufregung und der mangelnder Relevanz balancieren.

Ebenso klingt auch „Woman“ größtenteils wie eine sehr gekonnte Nachbildung des eigenen Klangentwurfs, was bei diesen pathologischen Kopisten eigentlich nur konsequent scheint. So war es ja im Grunde bereits Stuss, als die Presse 2011 angesichts des zweiten Justice Albums „Audio, Video, Disco“ wahlweise jubilierte oder beklagte, die beiden Franzosen hätten sich im Classic Rock der 70er Jahre verloren; die Tatsache ignorierend, dass in ihrem eklektischen Stilmix ohnehin schon immer alles da war, es sich also vielmehr um Nuancierungen und das Spiel mit Images als eine tatsächliche Transformation handelte. In diese Richtung hatte man auch die Stimmen einzuordnen, die angesichts von „Safe And Sound“ Mitte des Jahres aufgeregt von Funk und Disco sprachen. Justice sind einfach zurück, fertig.

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Zu dieser simplen Feststellung, die eigentlich zu den unausgesprochenen Tabus im Musikjournalismus gehört, genügt eigentlich schon der knallige Bass, der den Track unweigerlich als Stück von Gaspard Augé und Xavier de Rosnay ausweist. Überraschend fallen lediglich die Proportionen der Platte aus: 54 Minuten bei zehn Songs, Kompaktheit sieht anders aus. Zum einen liegt das daran, dass auch die Hits bei Justice mittlerweile meist die Fünf-Minuten-Marke knacken, zum anderen aber auch an Songs wie „Chorus“, das sich in der Mitte des Albums einfach quer legt und entgegen seines Titels erst mal recht wenig mit Verse-Chorus-Verse-Strukturen zu schaffen hat. Doch eben das war ja immer die zweite Qualität der Songwriter Justice: Eigensinn bewahren, keine allzu einfachen Lösungen anbieten.

Ähnlich funktioniert auch das semi-programmatisch betitelte „Heavy Metal“ mitsamt retrofuturistischer Sounds und gniedeligem Synthesizer, das sich in einem Niemandsland aus Sci-Fi-Soundtrack und – genau -Metal-Anleihen niederlässt. All das kennt man irgendwie, doch Justice gelingt immer noch das Kunststück, ihre Querverbindungen frisch und vor allem unterhaltsam zu halten, selbst wenn sie entgegen aller Wahrscheinlichkeit innerhalb des schmusigen „Love S.O.S.“ sanfte Melodien mit einer hallenden Sirene versöhnen oder für die Single „Alakazam!“ verschiedenste Sounds auffahren, um diesem ollen Funkbass noch ein paar neue Tricks abzugewinnen.

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Es kommt Justice zugute, dass sie eben darin schon immer brillant waren: Absolut auserzählte Geschichten noch mal aufzuwärmen und als heißen Scheiß zu verkaufen. Dass es dieses Mal ihr eigener Scheiß ist, schmälert die Qualität von „Woman“ nur in geringem Maße. Natürlich, erneut muss man wieder eine gewisse Toleranz gegenüber grenzwertiger Sounds und großer Gesten mitbringen, denn auch wenn uns Songs wie der Berserker „Stress“ ehedem aufs Glatteis führen wollten: Justice machen larger-than-life Musik, dieses Mal vielleicht am furchtlosesten verkörpert von der 80er Reminiszenz „Stop“.

Dort gibt es noch mal Rock-Referenzen, rückwärtsblickende Synthesizer und einen ordentlichen Refrain, der es noch konsequenter macht, dass auf diesen Song „Chorus“ folgt und eine deutliche Verweigerungshaltung einnimmt. Es sind diese Momente, die „Woman“ trotz ausbleibender Innovation zu einem Spektakel machen, zu dem man sich gerne noch mal hinreißen lässt. Sollte das das Revival gewesen sein, es hätte sich gelohnt.

7,7/10

„Woman“ erscheint am 18.11. via auf Platte, CD und digital.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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