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10 Jahre „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ von Arctic Monkeys

Myspace: 2006 war die Plattform noch mehr als ein Kuriosum. Es war ein Medium am Puls der Zeit, genau das Richtige, um als Band ein Netzwerk zu betreiben und als Musikfan ein Teil davon zu sein. Vielleicht merkt man auch daran, wie schnell sich die Welt in Zeiten des Internet verändert: Was 2006 brandaktuell war, ist 2016 fast schon wieder reif für ein Revival.

Das gilt auch für den Sound, mit dem die Arctic Monkeys 2006 zur größten Band Großbritanniens wurden. Indierock war damals heißer Scheiß und zugleich schon dem Untergang geweiht. Die Strokes brachten ihr vorerst letztes Album raus, die Libertines waren Geschichte und Bloc Party schauten sich schon nach Alternativen zu ihrem zackigen Gitarrensound um. Trotzdem, England brannte noch und die Menschen waren bereit, die nächste Sensation abzufeiern. Da kamen die Arctic Monkeys und Myspace gerade richtig.

Dabei ist die Beziehung zwischen Band und Plattform so sehr von Spontaneität und Legendenbildung geprägt, wie es im Grunde auf die gesamte Anfangszeit der Monkeys zutrifft. Ihre Entstehungsgeschichte liest sich so wie die dutzender Bands, die junge Menschen bilden, nur um ihren Traum nach zwei bis drei erfolgslosen Jahren aufzugeben. Auch Alex Turner und Jamie Cook gründen 2002 scheinbar ohne echten Masterplan mit drei Mitschülern eine Rockband, deren Sänger Turner übrigens erst wird, als sie zum Quartett schrumpft. Das klassische Line-Up der Arctic Monkeys ist geboren.

Der Rest gehört zum Standardinventar der jüngeren Popgeschichte: Die Band überzeugt bei Gigs, nimmt ein Demo auf, das dann laut eigener Aussage nicht die Monkeys selbst, sondern Fans auf Myspace hochladen. Die Stimmung kocht in der noch recht jungen Blogszene enorm schnell hoch, doch die Band wittert schon in diesem frühen Stadium, dass auf den Hype leicht ein Backlash folgen könnte. Alle Bedenken beseitigen sie jedoch spätestens, als ihre erste richtige Single „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ durch die Decke geht

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Ein knabenhafter Alex Turner hat im zugehörigen Video doch tatsächlich den Schneid, der Musik ein knappes „Don’t Believe The Hype“ voranzustellen. Die besten Argumente, wieso man dieser Ansage folgen sollte, liefert der folgende Song rasch nach. Die Arctic Monkeys klingen einerseits sehr clever, andererseits aber auch ungemein impulsiv. Obwohl die Band heute ein gespaltenes Verhätlnis zu dem Song hat, ist er ein Aushängeschild nicht nur für sie, sondern auch für die britische Indierockszene der 00er geworden.

Allgemein ist es verwunderlich, wie eingängig die schnell gespielten Stücke ihres Debüts trotz ihres teils ziemlich unkonventionellen Aufbaus daherkommen. „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ beginnt mit einem schwindeleregenden Gitarrensolo, der Opener „The View From The Afternoon“ stolpert durch seinen Refrain und die zweite Single „When The Sun Goes Down“ führt mit einem melancholischen Start aufs Glatteis, bevor ein umso heftiger Abriss folgt.

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Im Video zu diesem Song gibt es vornehmlich junge, leicht derangierte Briten zu sehen. Diese Mischung aus jugendlicher Feierlust und der Lustlosigkeit der Generation Y trägt sich als Leitfaden durch das gesamte Album, vom Booklet über die Texte bis hin zu den aufpoppenden Referenzen. Zu denen gehören all die Indiebands der 00er, die vor ihnen kamen, wobei ihr rotziger Schmiss und ihre britische Schnauze vor allem an die Libertines erinnern – wenn Turner aber richtig schön nach einem Jungen aus Sheffield klingt, darf man sogar an The Streets denken.

Die Arctic Monkeys haben hörbar keinen Bock darauf, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Bevor man einen der Songs festgenagelt hat, ist er meist schon wieder vorbei – ein Gros der Stücke erreicht nicht mal die magische Drei-Minuten-Grenze. So schaffen sie den Spagat, einerseits vollkommen beiläufig, andererseits aber auch ungemein fokussiert zu klingen. Die grandiosen Melodien wirken da teils lediglich wie ein netter Zusatz.

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Die Menschen feiern das zurecht ab, der Hype schwappt in die Realität, die Arctic Monkeys brechen reihenweise Rekorde und werden zu potentiellen Festivalheadlinern. Indierock befindet sich auf seinem Höhepunkt, doch wie bereits erwähnt, ist der Abgrund schon in Sichtweite. Die Libertines liegen noch immer in Trümmern, die Strokes nehmen erst 2011 wieder eine Platte auf und Bloc Party veröffentlichen bald ein sehr gespalten aufgenommenes Synth-Pop-Album.

Die Arctic Monkeys hingegen riechen schnell, dass der Braten langsam fault und setzen auf Modifikationen statt hektischer Umbrüche. 2007 knüpft die Band mit „Favourite Worst Nightmare“ schnell noch mal an ihr Debüt an, bevor sie nach Amerika reist um gemeinsam mit Joshe Homme herauszufinden, wie viel Stoner Rock eine britische Indieband verträgt.

Auch diese Änderung beäugte man kritisch, doch spätestens mit dem ebenfalls stark nach Amerika schielenden „AM“ haben die Arctic Monkeys sich ihren Platz als eine der letzten großen überlebenden Indiebands gesichert. Die Energie und Dichte ihres Debüts haben sie zum Glück nie wieder versucht zu imitieren, denn erst der Glanz des Moments macht dieses ungewöhnliche Album zu einem der besten seiner Kohorte.

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Sebastian
Sebastian
Aus Saarbrücken, in Münster, immer auf Testspiel, manchmal auch hier: http://mordopolus.tumblr.com/

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